Über das katholische
Priestertum
Wie wohl keine zwei anderen von Jesus Christus eingesetzten heilbringenden
Sakramente sind das Allerheiligste Altarsakrament bzw. das hl. Messopfer und das
Sakrament der Priesterweihe aufeinander bezogen, hängen voneinander ab. Diese
gegenseitige Verbindung ist so eng, ja essentiell, dass ohne das eine auch das
andere nicht zustande kommen kann bzw. es verliert seinen Sinn und seine
Bedeutung. So kann es ohne das Vorhandensein von gültig geweihten Priestern auch
keine gültige hl. Messe geben: kein Messopfer, keine sakramentale Gegenwart Jesu
Christi in der hl. Kommunion! Und ohne die hl. Messe bleibt die Priesterwürde
letztendlich nutzlos und ausgeleert, weil es dadurch seiner eigentlichen Aufgabe
beraubt wird, seine Zwecksetzung nicht erfüllen kann.
Und wie sich diese beiden Sakramente gewissermaßen gegenseitig ergänzen und
ihren Sinn voneinander ableiten, so leidet auch ein jedes von diesen beiden
Heilsmysterien unter der Missachtung bzw. Sinnverdrehung des anderen. Deutlich
sichtbar wird dies heute unter der im Gefolge des Vatikanums II. eingeleiteten
„Liturgiereform“, der Verfälschung und Umfunktionierung der hl. Messe, der
praktischen Verdrängung und Ausmerzung des überlieferten Römischen Messritus.
So wird ja auch der Priester heute im Bereich der modernistischen Amtskirche
lediglich als ein Vorsitzender einer Mahlgemeinschaft angesehen, als Leiter
eines Mahlgeschehens, wie die moderne „Eucharistiefeier“ auf verschiedenen
Ebenen der Amtskirche halt weitestgehend definiert wird. Und besteht der Sinn
des Priestertums lediglich im Gestalten und Managen von inzwischen oft nur
halbreligiösen Menschenansammlungen, so entbehrt in der Folge auch die
Messzelebration jeglichen sakralen Charakters.
Die tiefe Bedeutung und die ganze Tragweite des katholischen Priestertums lässt
sich nicht nur an den Riten und Zeremonien der hl. Messe ableiten, wie wir dies
im Rahmen der Abhandlungen über das Messopfer in den „Beiträgen“ ja wiederholt
gesehen haben, sondern darauf weist unter anderem auch das äußere
Erscheinungsbild des Priesters selbst während der Messzelebration hin. Denn nach
Anordnung der katholischen Kirche müssen die Zelebranten unbedingt auch
entsprechende liturgische Gewänder tragen, welche auch ihrerseits symbolträchtig
und somit äußerst aussagekräftig sind.
Als ich vor einigen Jahren einmal in den USA bei unseren amerikanischen
katholischen Freunden weilte, betrat ich eines Morgens durch den hinteren
Haupteingang die Kirche, in welcher gerade vorne auf dem Hauptaltar die hl.
Messe gefeiert wurde. Da sich der Zelebrant mitten bei den Kanongebeten befand
(mit dem Gesicht zum Kreuz!), und somit Stille im Kirchenraum herrschte, war aus
der Distanz nicht eindeutig erkennbar, welcher der mir bekannten Priester gerade
die hl. Messe feierte. In der Annahme, es sei ein ganz bestimmter, wendete ich
mich hinten meinem Breviergebet zu.
Nach einer Weile drehte er sich (wohl vor der Austeilung der hl. Kommunion) dem
Volk zu, und ich realisierte, dass ich mich in der Person des zelebrierenden
Priesters getäuscht hatte - es war ein anderer Zelebrant, als ich bei ersten
Hinschauen dachte. Aber dieser Irrtum in der Annahme der privaten Person des
Priesters weckte in mir die Erinnerung an eine große Wahrheit des katholischen
Glaubens bezüglich des Messopfers, dass nämlich der eigentliche Priester beim
Vollzug der hl. Messe nicht ein menschlicher Priester ist, wer auch immer er
sein mag, sondern niemand anderes als Jesus Christus selbst, der „erhabene
Hohepriester“, der „Sohn Gottes“ (Hebr 4,14)!
Und das ist ja gerade der Sinn der liturgischen Gewänder. Sie sollen den
Privatmenschen im Zelebranten gewissermaßen verdecken, verhüllen, um dadurch die
Aufmerksamkeit auf Den zu lenken, an Dessen Priestertum der menschliche
katholische Priester Anteil hat! Denn das Priestertum der menschlichen Priester
ist nicht eigenständig, nicht selbstständig oder völlig unabhängig vom
Priestertum Jesu Christi. Nein, es ist lediglich eine Art Teilnahme, Teilhabe an
Seinem Priestertum, des eigentlichen Priesters des Neuen und Ewigen Bundes, der
„Priester in Ewigkeit“ (Hebr 7,21), „Priester auf ewig nach der Ordnung des
Melchisedech“ (Hebr 7,17) ist! So besteht der Sinn der Priesterweihe darin, dass
der entsprechende (männliche) Kandidat bei deren Empfang die Befähigung
übertragen bekommt, beim Vollzug der hl. Messe und der hl. Sakramente, der
göttlichen Heilsmysterien, in der Person Jesu Christi zu handeln, Ihn zu
vertreten, an Seiner Stelle zu fungieren!
Wenn es sich also um einen gültig geweihten katholischen Priester handelt, dann
ist es nicht von Belang, nicht von entscheidender Bedeutung, ob er nun groß oder
klein, alt oder jung, einem bekannt oder unbekannt, heiligmäßig oder doch noch
mit persönlichen Fehlern behaftet ist usw. Die Tatsache nämlich, dass er als
Priester einen von der katholischen Kirche anerkannten gültigen apostolischen
Messritus verwendet, soll in uns die Erkenntnis wecken, dass letztendlich nicht
er als Mensch z.B. das hl. Messopfer feiert, sondern Der, der durch ihn die
heiligen Handlungen vollzieht - Jesus Christus, „unser Hoherpriester“ (Hebr
7,26)! Der menschliche Priester ist, von dieser Seite aus betrachtet, lediglich
befähigt, Ihm seine Hände, seine Sprache, seinen (Opfer- und
Konsekrations-)Willen zur Verfügung zu stellen, gewissermaßen auszuleihen.
Der menschliche Priester übt während der Zelebration eine dreifache Funktion
aus: natürlich handelt er zunächst als ein Mensch, als eine Privatperson, da er
ja auch für sich selbst betet und auch sich persönlich ins Opfer Christi
einschließt; ferner übt er sein Priesteramt im Namen und im Auftrag der
katholischen Kirche aus - er ist der amtlich bestellte Diener der Kirche, durch
welchen sie die ihr von Christus übertragene Sendung der Vermittlung Seiner
Heilsgnade fortsetzt bzw. fortsetzen kann; schließlich, und das ist der
entscheidende Gesichtspunkt der neutestamentlichen Priesterwürde, handelt er in
persona Christi, im Namen, im Auftrag und vor allem in der Person Jesu Christi,
so dass das rituelle Wirken des Priesters zum Heilshandeln unseres göttlichen
Erlösers selbst wird!
Dabei ist es nicht sinnvoll, kleinlich zu unterscheiden und zu definieren, wann
und in welchem Umfang genau der Priester bei der Messzelebration in seiner
jeweiligen Funktion in Erscheinung tritt. Alle drei seiner Tätigkeitsebenen
gehen ineinander über, greifen ineinander ein, überlagern sich fließend. Aber
entscheidend ist, und das ist hier unser Ausgangspunkt, dass letztendlich nicht
ein Mensch, nicht ein menschlicher Priester, sondern Christus selbst die
eigentlich handelnde Person beim Vollzug des hl. Messopfers ist, worauf ja auch
das Verhüllen des Menschen im Priester durch liturgische Gewänder hinweisen
will.
Wenn also z.B. das Evangelium während der hl. Messe verkündet wird, dann kommt
es in erster Linie nicht auf die Frage an, ob der Priester eine hohe oder tiefe
Stimme hat, ob er (beim Hochamt) gut oder eher dürftig singen kann, sondern auf
den Inhalt der gerade verkündeten Evangeliumsworte, also der Worte Jesu Christi
und nicht eines Menschen. Wir sollten auf diese lauschen, als würden sie hier
und jetzt direkt von Christus an unsere Adresse gesprochen, ja sie werden uns
mittels der Person des Priesters von Christus verkündet. Wird ja aus dem Leben
des hl. Antonius, des Wüstenvaters, berichtet (so im Breviarium Romanum), dass
er gerade während der Verkündigung des Evangeliums in der hl. Messe die Worte
Christi: „Willst du vollkommen sein, so gehe hin, verkaufe alles, was du hast,
und gib es den Armen“, so auffasste, als würden sie von Christus gerade für ihn
gesprochen werden.
Wenn wir den Priester z.B. während der Oration, der Postcommunio oder auch der
Kanongebete, die ja ebenfalls Bitten für die Gläubigen enthalten, mit vor der
Brust ausgebreiteten Armen beten sehen, dann wollen wir uns verinnerlichen, dass
nicht nur er selbst für das gläubige Volk betet, dass an seiner Stelle nicht nur
die katholische Kirche für uns betet, sondern dass auch Christus selbst eine
Fürbitte für Sein Volk vor Seinem himmlischen Vater, vor Gottvater einlegt, und
zwar wie Er z.B. beim so genannten Hohepriesterlichen Gebet für die Apostel und
die Gläubigen (vgl. Joh 17,9.11.15.17.20.21.23) betete.
Wenn der Priester uns segnet, dann ist es gleichermaßen ein Segen Christi (und
nicht bloß der eines Menschen, sei dies sogar ein Bischof oder ein Papst), wie
Er die Kinder „in Seine Arme schloss, ihnen die Hände auflegte und sie segnete“
(Mk 10,16), und wie Er vor Seiner Himmelfahrt „Seine Hände erhob“ und die
Apostel „segnete“ (vgl. Lk 24,50).
Wenn der Priester während der Opferung die Hostie auf der Patene bzw. den
Opferwein im Kelch erhebt und dabei spricht: „Heiliger Vater, allmächtiger
ewiger Gott, nimm diese makellose Opfergabe gnädig an...“ bzw.: „Wir opfern Dir,
Herr, den Kelch des Heiles...“, dann muss er ja dabei eine bestimmte innere
Haltung besitzen, eine entsprechende Willensintention aufbringen. Wenn er die
zahlreichen anderen Bitten um die Annahme des Opfers verrichtet, welche der
Römische Messritus (gerade im Kanon!) enthält, die ja zudem noch mit
symbolträchtigen Kreuzzeichen über die Opfergaben verbunden sind, dann kann es
ja nicht anders sein, als dass er dabei ebenfalls eine entsprechende
Opfergesinnung aufbringt!
Aber wegen des besonderen Charakters der Priesterwürde und des hl. Messopfers
wird sein persönlicher menschlicher Opferwille auch und gerade zum Opferwillen
Jesu Christi (!), an dessen Priestertum ja der katholische Priester
partizipiert. So bringt Christus letztendlich selbst das heilige Opfer dar,
setzt Sein am Kreuz vollbrachtes Opfer in der hl. Messe gegenwärtig, erneuert es
sakramental! Sagt ja die katholische Messopfertheologie, dass im Messopfer nicht
nur die Opfergabe identisch mit der des Kreuzesopfers, sondern auch der
Opferpriester, der halt in der Liturgie der Kirche durch den geweihten
menschlichen Priester repräsentiert wird.
Und wenn schließlich dieser menschliche Priester die geheiligten Wandlungsworte
sprich, dann ist es ebenfalls Christus, der sie durch den Priester sprich. Denn
die Wandlungsworte lauten ja nicht in der 3. Person: „Das ist Christi Leib“ bzw.
„Das ist der Kelch Seines Blutes...“, sondern bezeichnenderweise in der 1.
Person: „Das ist Mein Leib“ bzw. „Das ist der Kelch Meines Blutes...“! Also will
sie die katholische Kirche so verstanden wissen, dass sie zwar durch ihren
Priester, aber dennoch von Jesus Christus selbst gesprochen werden. (Niemand
würde doch auf die absurde Idee kommen, der Priester rede hier von seinem
eigenen Leib und Blut.)
Auf die Wahrheit, dass Christus selbst der eigentliche Zelebrant der Liturgie
ist, weisen aber nicht nur die liturgischen Gewänder hin, welche die Priester
anlegen müssen, sondern z.B. auch der Umstand, dass der die hl. Messe feiernde
Priester beim Vollzug der heiligen Geheimnisse nicht zum Volk gewendet postiert
ist. Die Gläubigen sehen nicht sein Gesicht, aufgrund welches ja eine Person am
prägnantesten als ein bestimmtes und unverwechselbares Individuum erkannt wird,
welches ja bei uns, Menschen, als eine Art aussagekräftigster Identitätsnachweis
einer Person gilt, und sollen durch diese „Ablenkung“ vom Menschlichen ans
Göttliche in der Liturgie erinnert werden!
Sie sehen nicht ein ganz konkretes menschliches Gesicht und werden dadurch umso
stärker an die Glaubensaussage erinnert, dass letztendlich Jesus Christus, der
göttliche Erlöser, selbst die hl. Messe feiert und dadurch hier und jetzt im
Kirchenraum Seine Liebeshingabe an den himmlischen Vater zu unserem Heile
aktualisiert. (Man vergleiche damit meine oben geschilderte Erfahrung.)
Auch die Tatsache, dass die Kirche ihren Priestern vorschreibt, sowohl die
Opferungs- als auch die Kanontexte mit leiser Stimme zu beten, unterstreicht den
sakralen Charakter des liturgischen Geschehens am und auf dem Altar. Denn hier
steht wiederum nicht ein menschliches Element im Vordergrund, nicht das
Menschliche ist im Kirchenraum dominant - diesmal die ganz konkrete menschliche
Stimme des gerade zelebrierenden Priesters. Nein, auch die vorherrschende Stille
will das Element des Menschlichen gewissermaßen verdecken und eine Aura des
Göttlichen entstehen lassen, weil sich ja auch tatsächlich zur derselben Zeit in
der Kirche ein unbeschreibliches göttliches Mysterium vollzieht!
Diese Zusammenhänge lassen uns auf der anderen Seite aber auch sowohl das große
Geheimnis und die hohe Würde des katholischen Priestertums besser erkennen als
auch die immense Verantwortung der einzelnen Priester vor Gott entsprechend
sehen. Im Hebräerbrief heißt es nämlich von Christus: „Hier aber ist einer, der
in Ewigkeit bleibt und darum ein unvergängliches Priestertum hat. Darum vermag
Er auch vollkommen die zu retten, die durch Ihn vor Gott hintreten. Er lebt ja
immerdar, um Fürsprache für sie einzulegen“ (Hebr 7,24f.)!
Weil Jesus im Besitz der göttlichen Natur ist und somit „in Ewigkeit bleibt“,
d.h. ewig lebt und niemals (mehr als Mensch) stirbt, deshalb wird daraus
abgeleitet, dass Er auch „ein unvergängliches Priestertum hat“. Und diese
Unvergänglichkeit Seines Priestertums besteht darin, dass nach Seiner
Himmelfahrt zu jeder Zeit für die Menschen die Möglichkeit bestünde, das ewige
Heil, die Rettung zu erlangen, indem man „durch Ihn vor Gott“ hinzutritt.
Und die „Fürsprache“, die Er für diese Menschen bei deren Hinzutreten „einlegt“,
ist nichts anderes und nichts geringeres als Seine liebende Opferhingabe, die Er
am Stamm des Kreuzes „ein für allemal“ (vgl. Hebr 7,27) vollbracht hat und dann
im Laufe der Zeit im Messopfer für die jeweiligen Generationen jeweils
sakramental erneuert, um auch über sie Sein erlösendes kostbares Blut ganz
konkret fließen zu lassen! „Verrichtet“ Er ja auch noch nach Seinem Niederlassen
„zur Rechten des Thrones der Majestät im Himmel“, d.h. zeitlich gesehen nach
Seiner Himmelfahrt, den, wie es heißt, „Dienst im Heiligtum, im wahren Zelt, das
der Herr erbaut hat und nicht ein Mensch“ (vgl. Hebr 8,1f.). Und zwar setzt sich
dieser „Dienst im Heiligtum“, diese himmlische Liturgie, fortwährend fort!
So ist die hl. Messe gewissermaßen das Abbild des Urbildes, sie ist die sich in
der jeweiligen Zeit vollziehende Aktualisierung der Ewigen, Himmlischen,
Göttlichen Liturgie, in welcher Christus als das „Lamm“, welches „dasteht wie
geschlachtet“ (vgl. Offb 5,6), „Fürsprache“ einlegend (vgl. Hebr 7,25) vor
Seinen Vater tritt und dadurch für uns die Erlösung bewirkt! Und ermöglicht wird
diese heilige Handlung, das Messopfer, durch das Vorhandensein von menschlichen
Priestern, die sich Christus zur Verfügung stellen, damit Er durch sie für die
Menschen das ewigen Heil wirken kann.
Beten wir also für die treugläubigen katholischen Priester der Gegenwart, damit
sie ihrer Berufung treu bleiben und ihr hohes Amt gerade in der heutigen
schwierigen Zeit sowohl mit Würde als auch im Wissen um ihre Verantwortung
ausüben. Gedenken wir im Gebet auch aller jener, die sich auf dem Weg zur
Priesterweihe befinden, damit sie einst würdige Mitarbeiter im Weinberg des
Herrn werden. Unterlassen wir es dabei nicht, ihnen allen mit Rat und Tat zur
Seite zu stehen, und versagen wir ihnen auch die finanzielle Unterstützung
nicht, damit sie sich voll und ganz entweder ihren priesterlichen Aufgaben oder
auch ihrem Studium auf dem Weg zum Priestertum widmen können.
P. Eugen Rissling