Kurze Messbetrachtungen


21. Teil


16. Kanon (Fortsetzung) 

Während der Wandlung spricht der Priester folgende Worte: „Er nahm am Abend vor Seinem Leiden Brot in Seine heiligen und ehrwürdigen Hände, erhob die Augen gen Himmel zu Dir, Gott, Seinem allmächtigen Vater, sagte Dir Dank, segnete X es, brach es und gab es Seinen Jüngern mit den Worten: Nehmet hin und esset alle davon: Denn das ist Mein Leib. 

In gleicher Weise nahm Er nach dem Mahle auch diesen erhabenen Kelch in Seine heiligen und ehrwürdigen Hände, dankte Dir abermals, segnete X ihn und gab ihn Seinen Jüngern mit den Worten: nehmet hin und trinket alle daraus: Denn das ist der Kelch Meines Blutes, des neuen und ewigen Bundes: Geheimnis des Glaubens: das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Tuet dies, sooft ihr es tut, zu Meinem Gedächtnis.“ 

Nirgends tritt die Tatsache, dass der Priester in der hl. Messe nicht bloß als Vertreter der Kirche, sondern auch im Namen und in der Person Jesu Christi handelt, so deutlich in Erscheinung wie beim erhabensten Akt der priesterlichen Tätigkeit: dem in der Konsekration sich vollziehenden eucharistischen Opferakt. Denn diese hl. Wandlung ist nicht etwa in die Form eines Gebetes, einer Bitte an Gott, gefasst, sondern in die eines historischen Berichtes, der hier nicht anders als der liturgische Nachvollzug einer von Jesus selbst vollbrachten historischen Tat verstanden werden will! Die Person des menschlichen Priesters tritt hier auch dadurch ganz zurück, dass er nicht nur in sakrale liturgische Gewänder gekleidet ist, sondern auch das gleiche spricht, was die Apostel von Jesus vernahmen, und ebenfalls das gleiche tut, was Jesus „am Abend vor Seinem Leiden“ tat! Und zunächst nimmt er „Brot“ - bei der Konsekration des Weines auch den „herrlichen Kelch“ - in seine „heiligen und ehrwürdigen Hände“. Diese Worte sind „ein ganz natürlicher Ausdruck der liebeglühenden Ehrfurcht gegen jene Hände, die der Gottmensch in den Tagen seines Erdenlebens so oft zum Segnen und zum Gebet für uns ausgestreckt hat, und die er für uns ans Kreuz heften lies“ (Eisenhofer, L., Handbuch der katholischen Liturgik. Band II, Freiburg 1933, S. 182). 

Indem also der Priester parallel zu diesen Worten die zuvor geopferte Hostie (mit den beiden Daumen und Zeigefingern) und den im Kelch enthaltenen Opferwein in seine Hände nimmt, sind diese hier und jetzt gewissermaßen als die „heiligen und ehrwürdigen Hände“ Jesu anzusehen. Werden sie ja dem Priester bei der hl. Priesterweihe vom Bischof nicht nur zum Zweck des Segnens, sondern auch zu dem der Berührung der heiligen Gestalten gesalbt. Daher auch der an mancher Stelle vorkommende liturgische Kuss der Priesterhände. Frühe war ja der Kuss der Priesterhand auch sonst weit verbreitet. 

Dann erhebt er in der Entsprechung zu den Rubriken des Missale Romanum seine Augen leicht nach oben - „gen Himmel zu Dir, Seinem allmächtigen Vater“. Zwar wird in den Evangelien nichts im Hinblick der Erhebung der Augen Jesu zu diesem Zeitpunkt gesagt. Aber dies ist dennoch an sich sehr wahrscheinlich, weil Er ja auch sonst Seine Augen zum Himmel erhob, wenn Er ein Gebet, eine Danksagung oder eine Segnung sprach (vgl. Joh 11,41). „Zudem gehörte die Erhebung der Augen so allgemein zur Gebetshaltung, dass sich die alten Christen den Herrn beim Gebet gar nicht anders vorstellen konnten“ (Eisenhofer, ebd. S. 182). Dieser Blick nach oben kann als eine Art Rückbesinnung auf den Willen Gottes während des Gangs auf den Kalvarienberg und als ein Akt des Kraftschöpfens in der größten Lebensnot aufgefasst werden. Beides darf durchaus sowohl auf Christus als auch auf den Priester und die anwesenden Gläubigen bezogen werden. 

Daraufhin sagt in der liturgischen Nachahmung Christi auch der Priester „Dir Dank“. Der Sohn Gottes dankte Seinem Vater, indem Er Ihm mittels der eigenen Ganzhingabe Dessen Liebe und Treue beantwortete und erstattete (vgl. zum liturgischen Terminus der „Danksagung“ „Beiträge“/13, S. 25f.). In Gemeinschaft mit Christus will nun auch die Kirche die Hingabe ihrer selbst vollziehen und dadurch in derselben liebenden Gesinnung Stellung zu den ihr erwiesenen Wohltaten Gottes beziehen! Während dessen verneigt der Priester etwas sein Haupt und unterstreicht dadurch seine Absicht. Ferner segnet der Priester mit seiner rechten Hand ebenfalls die Hostie bzw. den Kelch, indem er die entsprechende Passage des Kanons leise spricht. Diese Segnung ist als letzte Heiligung der Opfergaben vor deren Konsekration aufzufassen. Es ist der himmlische Segen unseres göttlichen Erlösers, der beim Aussprechen der geheiligten Wandlungsworte die Wesensverwandlung von Brot und Wein in den Leib in das Blut Jesu Christi bewirkt! 

Die Brechung des Opferbrotes, von der dann die Rede ist, wird an dieser Stelle des Kanons noch nicht vollzogen, sondern seit Urzeiten der Christenheit auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Näher zur Kommunion hin, vor dem Agnus Dei, kann sie dann im Zusammenhang mit der Vermischung der heiligen Gestalten stattfinden. An sich aber weist diese Brotbrechung, von der hier die Rede ist, auf den gewaltsamen Tod Christi hin, was den Opfercharakter der hl. Messe auf eine eindrucksvolle Weise unterstreicht! Wenn es dann heißt: „Nehmet hin und esset alle davon“ bzw. „...trinket alle daraus“, dann bezieht sich dieses „alle“ keinesfalls auf alle Menschen, als ob die eucharistische Gemeinschaft mit jedem ohne Unterschied bestünde. Nein, zunächst sind hier die anwesenden Jünger angesprochen, denen Er das „Brot“ und den „erhabenen Kelch“ eben „gab“. Darüber hinaus stellt dieses Wort dann aber auch eine eindringliche Empfehlung an alle rechtgläubigen Christen dar, sich im gereinigten Seelenzustand am eucharistisch anwesenden Christus zu laben! 

Bei den Worten der Konsekration verneigt sich der Priester erneut und verleiht dadurch seiner tiefen Ehrfurcht und heiligen Scheu vor diesen Worten Christi Ausdruck, die ja so heilvollen Folgen für uns alle haben. Auch werden sie mit dieser Körperhaltung sichtbar als etwas zu schützendes präsentiert, weil man sie nicht nur leise ausspricht, sondern sich auch über sie gewissermaßen in schützender Weise beugt. Denn erfuhren ja gerade die Wandlungsworte (über den Wein) in der neuzeitlichen „neuen Messe“ eine inhaltsverzerrende Veränderung! Und indem der menschliche Priester die Wandlungsworte akustisch artikuliert, spricht sie letztendlich niemand anders als der göttliche Hohepriester Jesus Christus selbst aus! Denn der Priester leiht Ihm hier gewissermaßen nur seine eigene Stimme und ebenfalls die Willenskraft (d.h. die Absicht, in der Person Jesu Christi die hl. Wandlung zu vollziehen). Die Stimme des Priesters, welcher Tonlage auch immer sie entsprechen mag, wird hier zur Stimme des göttlichen Erlösers. Denn es wird ja von ihm nicht etwa gesagt: „Das ist Sein Leib“, sondern eindeutig: „Das ist Mein Leib“! 

Im Konzil von Trient hat die katholische Kirche in aller Unmissverständlichkeit die Lehre von der Transsubstantiation dogmatisiert, obwohl sie auch alle Jahrhunderte zuvor ein fester Bestandteil der Glaubenslehre der katholischen Kirche war. Aber weil dieser Glaubenssatz, dass nämlich in der konsekrierten Gestalten von Brot und Wein wirklich und wahrhaftig der heilige Leib und das kostbare Blut Jesu Christi enthalten sind, nun plötzlich durch Luther und dessen Gefolge verneint wurde, sah sich die Kirche veranlasst, diese Lehre, die Lehre des Evangeliums, feierlich zu proklamieren! Denn Jesus sagt ja nicht: „Das bedeute Meinen Leib“, „Das symbolisiere Meinen Leib“ oder: „Euer Glaube mache dieses Brot im Moment des Empfangs zu Meinem Leib“, welche Deutungen die Protestanten den Wandlungsworten beilegen wollten. Nein, sowohl alle Evangelisten als auch der hl. Paulus, die davon berichten, geben die Worte Jesu in der Form einer klaren Feststellung als folgt wieder: „Das ist Mein Leib“, „Das ist der Kelch Meines Blutes...“! 

Natürlich fällt es unserem menschlichen Verstand nicht leicht, sich diese Wahrheit so richtig vorzustellen oder sie zu realisieren. Wir sollen hier etwas glauben, wofür es nach unserer üblichen doch eingeschränkten Denkweise keine sachlichen Beweise gibt. Und schon einige von den Jüngern Jesu, die Seine so genannte große eucharistische Rede (Joh 6) hörten, nahmen Anstoß daran und murrten: „Diese Rede ist hart! Wer kann sie hören? ... Daraufhin zogen sich viele von Seinen Jüngern zurück und gingen nicht mehr mit Ihm“ (Joh 6,60.66). Aber auch die Aposteln selbst geben uns ein Argument in die Hand, das von vorne herein alle scheinbar berechtigten menschlichen Zweifel überwiegt: „Da fragte Jesus die Zwölf: ´Wollt auch ihr weggehen?´ Simon Petrus antwortete Ihm: ´Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens. Wir glauben und erkennen, dass Du der Heilige Gottes bist“ (Joh 6,67-69). 

So soll auch für uns niemand anders als Jesus Christus selbst die letzte und höchste Garantie für die Richtigkeit des Glaubenssatzes von der wirklichen und wahren Gegenwart seines Leibes und Blutes unter den Gestalten von Brot und Wein sein. Wenn wir uns mit unserem Intellekt ebenfalls um die Erkenntnis Seiner Person bemühen, dass Er nämlich wahrer Gott ist und als Sohn des Vaters in diese Welt kam, um für uns die Erlösung zu bewirken und somit uns das göttliche Leben (wieder) zu erschließen, dann besteht für einen liebenden Jünger Jesu kein Zweifel an der Wahrhaftigkeit Seiner Worte, auch wenn die menschliche Vorstellungskraft hier an eine Grenze gelangt zu sein mag! Bekennt ja auch der hl. Apostel Paulus zwar aus einem etwas anderen, aber nichtsdestoweniger ähnlichen Anlass: „Scio cui credidi - Ich weiß, Wem ich geglaubt habe“ (2 Tim 1,12)! Gott kann nicht täuschen, ein höherer Wahrhaftigkeitsgrad als der Seiner Worte kann nicht gedacht werden. Aber es ist für uns, Menschen, die wir uns hier auf Erden mit so manchem Unvermögen herumzuplagen haben, trotzdem nicht unstatthaft, in aller Aufrichtigkeit die überlieferten Gebetsworte eines mittelalterlichen Priesters zu wiederholen: „Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben“! 

 

P. Eugen Rissling

 

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