Kurze Meßbetrachtung
6. Teil
8. Gloria
Im “Kyrie eleison” hat die Kirche inständig um Gottes Erbarmen an Seinem
Volk gebetet. Sie erinnert sich dabei an den flehentlichen Ruf der
alttestamentarischen Israeliten um Sein Kommen und Seine Befreiung aus
jeglicher innerer und äußerer Not und Bedrängnis.
Da aber Jesus Christus, der eingeborene Sohn des Vaters, jetzt bereits in
dieser Welt erschienen ist und am Kreuz die Erlösung bewirkt hat, besingt
die Kirche im “Gloria in excelsis Deo”, das der Priester nach dem “Kyrie
eleison” anstimmt, die Herrlichkeit und Erhabenheit dieses
menschgewordenen Gottes! Wie den Hirten bei der Geburt Christi auf dem
Feld bei Bethlehem “eine große himmlische Heerschar” erschienen ist, “die
Gott lobte und sang: ´Ehre sei Gott in der Höhe, und auf Erden Friede den
Menschen, die guten Willens sind´” (Lk 2,13f.), so fühlt sich auch die
katholische Kirche bei der Feier des Heiligen Opfers gedrängt, in diesen
Lobgesang des Sich erbarmenden Gottes miteinzustimmen. Da es ja
ursprünglich aus dem Munde der Engel kam, erhielt dieses Loblied den Namen
“Hymnus angelicus - feierlicher Engelsgesang”.
In ihrem Drang, Gott ob Seiner unendlichen Herrlichkeit gebührend zu loben
und anzubeten, hat die Kirche diesen Lobgesang nicht bei seiner
ursprünglichen kurzen Fassung belassen, sondern allmählich ergänzt und
erweitert. Sicher läßt sich das Gloria schon im 4.Jahrhundert bezeugen.
Zunächst hat es im Stundengebet der Kirche Eingang gefunden, dann wurde es
schon bald in die Messe aufgenommen.
Anfänglich durften auch nur die Bischöfe das Gloria in der Heiligen Messe
singen, den einfachen Priestern wurde dies nur am Ostertag gestattet. Seit
dem 11.Jahrhundert wird aber darin kein Unterschied mehr zwischen
Bischöfen und Priestern gemacht.
Das wunderbare Geheimnis der Menschwerdung Gottes im Stall zu Bethlehem
vor Augen, sehen sich die Engel verpflichtet, diesem Gott ob Seiner
unendlichen Barmherzigkeit die “Ehre” zu geben. Seiner Güte und
Menschenfreundlichkeit allein ist es zu verdanken, dass Er nach dem
Sündenfall der Menschen in diese Welt gekommen ist und durch Seine Geburt
aus Maria, der Jungfrau, das Werk der Erlösung begonnen hat - kein Mensch
kann einen Anspruch darauf erheben!
Im Rückblick auf dieses historische Heilswirken Jesu Christi, das ja bei
der Feier des Meßopfers zugleich auch auf dem christlichen Altar
gegenwärtiggesetzt wird, spricht auch der neutestamentarische Priester
voll Überzeugung diese große Wahrheit aus: “Ehre sei Gott in der Höhe”!
Dabei erhebt er in einer symbolischen Handlung seine Hände in einer
Kreisbewegung nach oben und schließt sie über dem Kopf, um dadurch seine
Hinwendung zu Gott äußerlich zum Ausdruck zu bringen.
Da aber die Erlösung Jesu Christi im Endeffekt jedem, der sein Ohr und
sein Herz für Seine Gnade öffnet und bereitwillig Seine Lehren, d.h.
Seinen heiligen Willen befolgt, die Versöhnung mit Gott und den
Mitmenschen bringt, heißt es anschließend in diesem Lobgesang: “Und auf
Erden Friede den Menschen, die guten Willens sind”. Ein wahrer
gottliebender Christ findet trotz Kampf, äußerer Anspannung und Mühe zum
inneren Ruhen in Gott.
Die Kirche weitet nun den Lobpreis Gottes
weiter aus: “Wir loben Dich, wir preisen Dich, wir beten Dich an, wir
verherrlichen Dich”. In der Häufung sinnverwandter Ausdrücke gibt sie hier
ihrer hochgesteigerten religiösen Freude an Gott einen Ausdruck. “Diese
Freude erhöht sich bei dem Gedanken, dass diese Worte auch gesprochen
werden im Namen der Kirche, so dass die eigene Armseligkeit und
Sündhaftigkeit dem Wert dieses Lobpreises keinen Eintrag zu tun vermag.
Das Loben, Preisen, Verherrlichen gipfelt in der Anbetung, und die Kirche
drückt dies dadurch aus, dass sie bei den Worten “adoramus te” für den
Priester eine Verneigung des Hauptes vorschreibt.” (Eisenhofer, L.,
Handbuch der katholischen Liturgik. Band II, Herder 1933, S.91.)
Die Heilstaten Jesu Christi betrachtend weiß die Kirche Ihm, da Er jene
aus lauter Gnade vollbracht, dafür auch ihre Dankbarkeit zu bekunden: “Wir
sagen Dir Dank”. Diese Dankbarkeit wurzelt sowohl in der Wertschätzung
dessen, was Christus, der göttliche Erlöser, einzeln zu unserem Heil getan
hat, als auch in der alles übersteigenden Erkenntnis Seiner Heiligkeit,
aus der allgemeinen Erkenntnis dessen, was Er und Wer Er an Sich ist:
“Gleichwie der Vater das Leben in Sich selbst hat, so hat Er auch dem Sohn
verliehen, das Leben in Sich selbst zu haben” (Joh 5,26)! Dies drücken
eindrucksvoll die sich an den Dank unmittelbar anschließenden Worte des
Gloria aus: “... ob Deiner großen Herrlichkeit”, bei welchen der Priester
ebenfalls sein Haupt neigt.
Im folgenden wird erkenntlich, dass das
Gloria trinitarisch gegliedert ist, d.h. es werden im Lobpreis und Dank
alle drei göttliche Personen angesprochen. Zunächst richtet sich diese
Verherrlichung Gottes an den “Herrn und Gott, König des Himmels, Gott
allmächtigen Vater”, Der ja in Seiner Allmacht alles wunderbar erschaffen
hat und fürsorglich im Dasein erhält, Der ja wegen Seiner großen
“Herrlichkeit” und Heiligkeit der oberste Gesetzesgeber des gesamten
Weltalls ist!
Ferner wendet sich die Kirche an den “Herrn Jesus Christus, eingeborenen
Sohn. Herrn und Gott, Lamm Gottes, Sohn des Vaters”. Er ist ja als der
einzige eigentlich wahre Sohn des Vaters “der Abglanz Seiner Herrlichkeit
und das Abbild Seines Wesens” (Hebr 1,3), Er ruht ja als “Gott” sozusagen
“am Herzen des Vaters”, auch ist ja durch Ihn “alles geworden” und ohne
Ihn “ward nichts von dem, was geworden ist” (vgl. Joh 1,18.3)!
Bei der Nennung Christi als das “Lamm Gottes” erinnert sich die Kirche
nicht nur an Sein stellvertretendes Leiden und heilbringendes Sterben,
sondern einmal mehr auch an die sittliche Gebrechlichkeit und
Bedürftigkeit ihrer Kinder und unterläßt daher auch nicht, Ihn um Sein
Erbarmen und die Erhörung ihrer eigenen Gebete anzugehen: “Du nimmst
hinweg die Sünden der Welt, erbarme Dich unser. Du nimmst hinweg die
Sünden der Welt, nimm unser Flehen gnädig auf”. Um die eigene Niedrigkeit,
Bedürftigkeit und das Angewiesensein auf die Barmherzigkeit Gottes zu
unterstreichen, verneigt der Priester bei den letzten Worten wiederum sein
Haupt.
Die Hoffnung und das Vertrauen darauf, dass
Gott einem in seiner Not hilft, gründet die Kirche auch auf die Tatsache,
dass Christus von den Toten auferstanden und Seine Herrschaft über die
gesamte Kreatur angetreten ist: “Du sitzest zur Rechten des Vaters,
erbarme Dich unser”. Er, der doch den Teufel, Seinen Widersacher, besiegt
hat und in den Himmel aufgefahren ist, möge auch uns helfen, die Sünde als
den geistigen Tod der Seele erfolgreich zu überwinden!
“Seine Macht, die Sünden zu vergeben, gründet in Seiner Gottheit, die ein
feierliches Bekenntnis in den Worten findet: ´Du allein bist heilig, Du
allein der Herr, Du allein der Höchste, Jesus Christus´, Attribute, die
Gott in den Psalmen gegeben werden.” (Eisenhofer, L., Handbuch der
katholischen Liturgik. Band II, Herder 1933, S.92.) Wohl nicht ohne Zufall
stellt hier die Kirche Gottes Heiligkeit vor Seine Machtfülle, da ja
letztlich die erstere die letztere begründet, da ja die letztere
eigentlich erst aus der ersteren hervorgeht!
Weil aber Gott in Sich unzertrennbar ist, und weil alle drei göttliche
Personen die gerade zuvor genannten göttlichen Eigenschaften teilen,
gebührt ihnen auch im gleichen Maß unsere Verehrung, Lob und Dank. Daher
nennt der Priester nach dem heiligen Namen unseres Erlösers zugleich auch
die der zwei anderen göttlichen Personen: “Mit dem Heiligen Geist, in der
Herrlichkeit Gottes des Vaters”. Das Kreuzzeichen, mit welchem er sich
dabei bezeichnet, symbolisiert neben dem Glauben der Kirche an die
allerheiligste Dreifaltigkeit auch ihre tiefe Überzeugung, dass das
Eucharistische Opfer, durch welches uns der Zugang zum Kreuzesopfer Jesu
Christi und dessen überreichen Früchten ermöglicht wird, auch das wahre
Lob- und Dank-, Bitt- und Sühnopfer ist! Mit dem abschließenden “Amen”
wird dies von der Kirche unterstrichen.
Die ältere, mystische Deutung des Gloria
bringt vor allem die Freude darüber zum Ausdruck, dass die Menschen durch
das Leiden Christi wieder mit der Engelwelt vereinigt wurden.
In den Messen, in welchen liturgisch entweder Trauer (Requiemsmesse) oder
Fasten und Buße (Advent, die große Fastenzeit, Vigiltage) vorherrschen,
wird das Gloria wegen seines besonders ausgeprägten Freudecharakters
unterlassen.
P. Eugen Rissling
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