Kurze Meßbetrachtung 


2. Teil


Die liturgischen Gewänder 

Da das Geschehen am Altar nicht alltäglich und profan (weltlich) ist, kleidet sich der Priester in liturgische Gewänder, die dem sakralen Charakter seines Dienstes entsprechen. Nicht soll der Priester in gewöhnlichen Kleidern an den Altar treten oder in Kleidern, die er auch sonst im zivilen Leben trägt. Diese Kleider, die sich aus der alten römischen Festkleidung entwickelten und seit frühesten Zeiten in den allgemeinen liturgischen Gebrauch der Kirche übergegangen sind, erhielten eine tiefe geistige Bedeutung, wie wir es im folgenden sehen werden. 

Vor dem Anlegen der liturgischen Gewänder wäscht der Priester seine Hände und erinnert sich dadurch noch einmal an die Notwendigkeit der inneren Reinigung, will der Mensch vor Gott erscheinen. Im Buch Exodus wird berichtet, wie der Herr zu Moses sprach: “Fertige auch ein kupfernes Becken mit dem dazugehörigen kupfernen Gestell für die Waschungen an, stelle es zwischen dem Offenbarungszelt und dem Altar auf. Aaron und seine Söhne sollen sich mit Wasser waschen, damit sie nicht sterben, sooft sie in das Offenbarungszelt hineingehen, oder wenn sie an den Altar treten, um den Dienst zu verrichten” (Ex 30,18-20). In diesem Sinne spricht auch der neutestamentarische Priester bei seinem viel erhabeneren Dienst das zu seiner Händewaschung gehörende Gebet: “Gib, o Herr, Kraft meinen Händen zur Beseitigung jeglicher Makel, damit ich ohne innere und äußere Befleckung Dir zu dienen imstande bin”. 

Der Christ sieht sich in seinem Leben ständig dem Kampf gegen den Widersacher Gottes ausgesetzt. Aus eigener Kraft vermag er nicht, den Sieg zu erfechten. Darum mahnt der hl. Apostel Paulus die Epheser: “Brüder! Erstarket im Herrn und in der Kraft Seiner Stärke. Legt die Waffenrüstung Gottes an, damit ihr den Nachstellungen des Teufels widerstehen könnt. Ergreift darum die Waffenrüstung Gottes, damit ihr am bösen Tag widerstehen und in allem unerschütterlich standhalten könnt” (Eph 6,10f.13). Sich daran erinnernd bedeckt der Priester seinen Kopf mit dem Amikt (Schultertuch) - einem leinenen Umschlagtuch -, läßt es auf die Schulter herabgleiten, befestigt es um den Hals und spricht dabei: “Setze, o Herr, auf mein Haupt den Helm des Heiles, damit ich die teuflischen Anfechtungen überwinde”. Wie der Helm den Kämpfer vor gefährlichen Kopfwunden schützt, so soll die Gnade Gottes den Priester vor Zerstreuung und ablenkenden Gedanken bewahren, die eine würdige Feier der Hl. Geheimnisse verhindern. 

Die Albe ist ein weites, weißes und reich gefaltetes Linnengewand, das bis zu den Fußknöcheln herabreicht. In dem Gebet, das der Priester parallel zum Ankleiden mit der Albe verrichtet, kommt dessen Bedeutung leicht erkennbar zum Ausdruck: “Mache mich weiß, o Herr, und reinige mein Herz, damit ich, rein geworden im Blute des Lammes, die ewigen Freuden genießen möge”. Die Albe stellt ein Sinnbild makelloser Unschuld und allseitiger Reinheit dar, womit der Priester am Altar erscheinen soll, damit er einst würdig erfunden werde, mit den Seligen, die angetan sind mit schneeweißen Gewändern, an den endlosen Freuden und Wonnen des himmlischen Hochzeitmahles teilzunehmen. Denn nur jene, die ihre Kleider weißgewaschen haben im Blute des Lammes, stehen vor Gottes Thron und dienen Ihm Tag und Nacht in Seinem Tempel (vgl. Offb 7,14f.). Der Priester trägt die weiße Albe hier auf Erden, weil er durch die Teilnahme am Opfermahl der Heiligen Messe (Hl. Kommunion) bereits jetzt schon - zwar verborgen und nicht endgültig, aber dennoch wirklich - Anteil an diesen “ewigen Freuden” gewinnt. Denn derselbe Christus wird hier empfangen, der die Wonne und Seligkeit der Heiligen im Himmel ausmacht! Überhaupt soll der gesamte Lebenswandel des Priesters tadellos sein, worauf das klare Weiß der Albe hinweist. 

Das Umgürten der Lenden des Priesters mit dem Cingulum (Gürtel) dient zunächst einem rein praktischen Zweck - die weite Albe wird zusammengehalten, indem sie hinten gefaltet wird. Das Gebet, das gleichzeitig verrichtet wird, bringt den geistigen Sinn des Umgürtens zum Ausdruck, der im Verlangen nach wahrer Herzensreinheit besteht: “Umgürte mich, o Herr, mit dem Gürtel der Reinheit und lösche aus in meinen Lenden den Trieb der Begierlichkeit, auf daß in mir bleibe die Tugend der Enthaltsamkeit und Keuschheit”. Will jemand das reine und unbefleckte Opfer des Neuen Bundes darbringen, muß auch sein Herz frei sein von jeglicher Art der Begierlichkeit und (verkehrter) Anhänglichkeit an die vergänglichen Werte dieser sündhaften Welt! Das Cingulum selbst hat noch einen anderen Sinn. Wenn sich früher z.B. Arbeiter oder Kämpfer zu gürten pflegten, um ihre losen und weiten Gewänder in die Höhe zu heben und fest zusammenzuhalten, wurden sie in ihren Bewegungen freier, ungehinderter und somit auch tüchtiger zur Tätigkeit, die sie verrichteten. Wenn der Priester sich umgürtet, dann bedeutet das auch, daß er sich rüstet, seine ganze Kraft und Energie zu sammeln, um sich voll und ganz für das Reich Gottes einzusetzen, das besonders jetzt bei der Feier der Heiligen Messe bereits anfänglich anbricht. 

Das erste Buch des Alten Testamentes, das Buch Genesis, berichtet uns vom Sündenfall Adams und Evas. Zur Strafe verfluchte der Herrgott den Erdboden um des Menschen willen und sprach zu diesem: “Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren alle Tage deines Lebens. Dornen und Disteln wird er dir tragen... Im Schweiße deines Angesichtes wirst du dein Brot verzehren” (Gen 3,17-19). Die Wahrheit dieser Worte wird ja durch unsere tägliche Erfahrung belegt. Nicht zufällig nennen wir uns im bekannten Muttergotteshymnus Salve regina “elende Kinder Evas” und den Erdboden “Tal der Tränen”. 

Aber nicht aufbegehren soll sich der Christ gegen sein Los, sondern es im Geiste der Buße und Reue geduldig tragen, um dadurch die eigenen täglich begangenen Sünden zu sühnen. Unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes befestigt der Priester am linken Arm den Manipel (von lat. manus, Hand) - ein mit Stola und Meßgewand in Stoff und Farbe übereinstimmendes Ornatstück, das sich zu diesem aus dem römischen Schweißtuch entwickelte. Beim Kuß des Kreuzes in der Mitte des Manipels und beim anschließenden Anlegen betet er: “Möge ich, o Herr, würdig sein, den tränen- und schmerzensreichen Manipel zu tragen, damit ich mit Jubel den Lohn der Arbeit empfange”. Der Priester empfindet es sogar als eine Gnade, die Last seines Amtes tragen zu dürfen! Freude erfüllt ihn, weil er sich an die Worte des Psalmisten erinnert, daß jede Mühe ihre Frucht und ihren Lohn haben wird: “Die in Tränen säen, ernten in Jubel. Fortwährend weinen sie, ausstreuend ihre Samenkörner; sie kommen aber, sie kommen in Jubel, tragend ihre Garben” (Ps 125,5f.). Entsprechend lautet auch das Wort des hl. Apostels Paulus: “Wer reichlich sät, wird auch reichlich ernten” (2 Kor 9,6). Und der Priester ist nicht nur einem jeden weiteren Sämann zu vergleichen, bei seinen sakramentalen Handlungen vermittelt er das ewige Heil in Jesus Christus! 

Als nächstes liturgisches Ornatstück legt der Priester die Stola an- einen langen handbreiten seidenen Streifen -, die er hinten um den Hals legt und vorne mit dem Cingulum in Kreuzesform befestigt. Die heutige Form der Stola entwickelte sich aus dem römischen Festgewand und wird von Bischöfen, Priestern und Diakonen bei allen ihren Amtshandlungen in je eigener Weise getragen. Sie enthält wie der Manipel drei Kreuze - in der Mitte, welches beim Anlegen geküßt wird, und an beiden Enden. Tief ist die symbolische Bedeutung der Stola. Im Buch Genesis heißt es wiederholt, daß Gott bei der Schöpfung des Weltalls alles gut gemacht hat: “Als Gott alles sah, was Er gemacht hatte, fand Er es sehr gut” (Gen 1,31). Auch der Mensch - als Ebenbild Gottes erschaffen - befand sich in Harmonie mit Gott und der ganzen übrigen Kreatur. Er kannte noch nicht die Sünde samt ihren Folgen und war im Besitz der beseligenden Schau Gottes. Durch den Ungehorsam unserer Stammeltern verlor der Mensch die heilig machende Gnade und wurde aus dem Paradies verstoßen. Aufgrund bitterer Erfahrung der Sünde und ihrer Folgen sehnt sich der Priester nach dem ursprünglichen Zustand der Menschheit: “Gib mir wieder, o Herr, das Kleid der Unsterblichkeit, welches ich durch den Fall des Stammvaters verloren habe. Und obwohl ich unwürdig Deinen heiligen Geheimnissen mich nahe, möge ich doch die ewige Freude verdienen”. Es ist der lebendige Glaube der katholischen Kirche, daß durch das Hl. Meßopfer den Gläubigen u. a. auch die Früchte des Erlösungsopfers Christi am Kreuz erschlossen werden: das ewige Leben und die immerwährenden Freuden des Himmels! 

Als letztes Ornatstück folgt nun das Meßgewand, die Kasel. Während sie der Bischof bei der Priesterweihe dem Neugeweihten anlegt, spricht er: “Nimm hin das priesterliche Gewand, das die Liebe versinnbildet; denn Gott ist mächtig, dir die Liebe vollkommen zu machen”. Wie die Kasel, die aus kostbarem Stoff hergestellt und würdig verziert wird, alle anderen liturgischen Gewänder bedeckt und schützt, so soll die göttliche Liebe das ganze Leben des Priesters, seine Gedanken, Worte und Werke umgeben, begleiten und schmücken. “Die Liebe hört niemals auf” (1 Kor 13,8), sie ist die kostbarste aller Tugenden, in ihr gipfelt die christliche Frömmigkeit, ohne sie nützen nicht einmal die höchsten Gnadengaben und Charismen (vgl. 1 Kor 13). Immer wieder kommt es in der Hl. Schrift zum Ausdruck, daß Christus sich bei Seinem Erlöserwirken von der Liebe zum armen sündigen Menschengeschlecht leiten ließ. Die göttliche Barmherzigkeit war das eigentliche Motiv Seines Handelns. So soll auch der Priester - wie jeder Jünger Christi (!) - von dieser Liebe ganz durchdrungen sein. In ihr soll sein erhabener Altardienst wie sein gesamtes Priestertum wurzeln, weil “die Liebe das Band der Vollkommenheit ist” (Kol 3,14). Aus ihr wird er dann aber auch die innere Kraft und das nötige Durchhaltevermögen schöpfen für die getreue Erfüllung seiner schweren Pflichten und für die verantwortungsbewußte Verwaltung seines Amtes in allen Widerwärtigkeiten des Lebens. In diesem Sinn betet er beim Anlegen der Kasel: “O Herr, Du hast gesagt: Mein Joch ist sanft und Meine Bürde ist leicht; bewirke, daß ich imstande bin, es so zu tragen, daß ich Deine Huld erlange”. 

Durch das Anlegen der liturgischen Gewänder gleicht der menschliche Priester seinem himmlischen Hohepriester, der “aus den Menschen genommen” wird (Hebr 5,1). In der Liturgie handelt der Priester nicht mehr als Privatperson, sondern in persona Christi, Christus selbst handelt in und durch ihn. Die liturgischen Gewänder verhüllen den Menschen im Priester und lassen in ihm den Hohepriester erblicken! Auch jeder (weitere) Christgläubige, der den heiligen Geheimnissen beiwohnen und sie mitfeiern will, soll nicht nur durch seine (anständige und geziemende) Kleidung der Würde des bevorstehenden Geschehens Rechnung tragen, sondern vor allem auch sein Herz entsprechend einstimmen.

 

Asperges

Als ein besonderer Ritus der inneren Reinigung und Vorbereitung auf das Heilige Opfer gilt das Asperges, d. h. das Besprengen der versammelten Gemeinde vor dem Hochamt an Sonntagen mit Weihwasser. Das Weihwasser besitzt - wie es aus den Gebeten bei der Weihwasserweihe hervorgeht - eine alle bösen Geister vertreibende (exorzierende), heilende und segnende Wirkung. So sollen die Gläubigen vor dem Hauptgottesdienst der Woche an sich die Wirksamkeit dieses Sakramentale erfahren: "daß überall dort, wo es besprengt wurde, durch die Anrufung Deines (Gottes) heiligen Namens jeder Angriff des unreinen Geistes verscheucht, der Schrecken der giftigen Schlange vertrieben werde und uns, die wir Deine Barmherzigkeit erbitten, die Gegenwart des Heiligen Geistes überall zugegen sei"!

Die Gebete, die dabei gesungen werden, sind dem großen Bußpsalm 50 entnommen, welches Gebet der König David voll aufrichtiger Reue verrichtete, als ihm bewußt wurde, welches Unrecht er vor Gott durch seinen Ehebruch begangen hatte. Der Antiphon: "Besprenge mich, o Herr, mit Ysop, und ich werde rein; wasche mich, und ich werde weißer als Schnee" (Vers 9) folgt die Bitte: "Erbarme dich meiner, o Gott, nach Deiner großen Barmherzigkeit" (Vers 3). Nach dem "Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist. Amen" wird die obige Antiphon wiederholt. Wie David durch Einsicht und Umkehr die Gnade und das Wohlwollen Gottes wieder fand, so bitten auch die in der Kirche anwesenden Gläubigen den Herrgott um Verzeihung für alle ihre Sünden.

In den Gebeten, die daraufhin abwechselnd vom Priester und dem Chor noch gesungen werden, wird u. a. auch der Schutz der Engel, der eifrigen Streiter für die Sache Gottes, erfleht: "Erzeige uns Deine Huld, o Herr. Und schenke uns Dein Heil, Herr, erhöre mein Gebet. Und laß mein Rufen zu Dir kommen. Der Herr sei mit euch. Und mit deinem Geiste. Lasset uns beten: Erhöre uns, heiliger Herr, allmächtiger Vater, ewiger Gott, und sende gnädig vom Himmel her Deinen heiligen Engel, damit er alle, die in diesem Hause weilen, behüte, bewahre, besuche und beschirme. Durch Christus, unseren Herrn. Amen."

 

P. Eugen Rissling

 

 

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