Kurze Meßbetrachtung 


15. Teil

14. Sanctus - Benedictus


Nach der Erwähnung ihres Festgedankens leitet die Präfation in ihrem letzteren Teil zum Sanctus über. Dies geschieht entweder mittels der Erwähnung der heiligen Engel oder im Anschluss an die Nennung des göttlichen Mittlers Jesus Christus selbst, welchem ja die gesamte Kreatur, also auch die Engel, unterworfen ist.


Im Buch des Propheten Isaias lesen wir im 6. Kapitel von seiner Berufung zum Prophetenamt. Unter anderem sah er dabei „den Allmächtigen auf einem hohen und erhabenen Throne sitzen. Seine Schleppe füllte den Tempel. Seraphim standen vor Ihm. Ein jeder hatte sechs Flügel. Mit zweien bedeckte er sein Antlitz, mit zweien seine Füße und mit zweien hielt er sich schwebend. Einer rief dem anderen zu: ´Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen! Die ganze Erde ist voll Seiner Herrlichkeit´. Und es erbebten die Grundfesten der Türschwellen bei dem lauten Ruf, und das Haus ward mit Rauch erfüllt“ (Is 6,1-4).
Das Bezeichnende daran ist, dass der Prophet diese Vision nicht irgendwo, sondern ausgerechnet im Tempel hatte, der sich (das Allerheiligste) bis zum Zeitpunkt des Todes Christi (vgl. Mt 27,51) der besonderen Gegenwart Gottes erfreute. Also sind die Engel überall dort, wo auch Gott ist, als dienende Geister bilden sie gewissermaßen Sein Gefolge!


Dies lässt ebenfalls darauf schließen, dass die auf Erden vollzogene Liturgie ein Abbild der himmlischen Liturgie sein will. Daran knüpft auch die Kirche an, da sie von Anfang an dieses Sanctus zum festen Bestandteil ihres eucharistischen Gottesdienstes gemacht hat. Indem sie sich nun mit ihrem Sanctusgesang dem Chor der Engel beigesellt, nimmt sie durch den besonderen Charakter des christlichen Weihepriestertums und der christlichen Liturgie auch teil an der Verherrlichung Gottes im Himmel! Auch der christliche Tempel, der Kirchenraum, wird als Ort der besonderen Einwohnung und Gegenwart Gottes liturgisch gewissermaßen zum Himmel erhoben, in dem die ununterbrochene Anbetung Gottes zu vernehmen ist!


b) Neun der fünfzehn im Römischen Messritus vorhandenen Präfationen leiten diesen Jubelgesang auf die Herrlichkeit Gottes mit den Worten ein: „Darum singen wir mit den Engeln und Erzengeln, mit den Thronen und den Herrschaften und mit der ganzen himmlischen Heerschar den Hochgesang Deiner Herrlichkeit und rufen ohne Unterlass...“. Bei fünf weiteren Präfationen heißt es unter Anspielung auf Christus: „Durch Ihn loben die Engel Deine Majestät, die Herrschaften beten sie an, die Mächte verehren sie zitternd. Die Himmel und die himmlischen Kräfte und die seligen Seraphim feiern sie jubelnd im Chore. Mit ihnen lass, so flehen wir, auch uns einstimmen und voll Ehrfurcht bekennen...“. Und bei den restlichen zwei Präfationen lautet es zwar etwas kürzer, aber dennoch ähnlich.


In tiefer Verneigung des Oberkörpers vor dem Thron der göttlichen Herrlichkeit, was die Altäre der katholischen Kirche ja auch sind, schließt sich der Priester dem immerwährenden Lobgesang Gottes an („und rufen ohne Unterlass“), der Ihm von den verschiedenen Rängen und Stufen der Engelwelt dargebracht wird. Das Bewusstsein der Erhabenheit Gottes soll bei den Gläubigen ebenfalls die Haltung der inneren Ergriffenheit wecken („zitternd“, „voll Ehrfurcht“)! Denn Der, Dem hier Lob, Anbetung und Verehrung entgegengebracht werden, ist kein geringerer als Gott selbst, Der Sich Seines Volkes erbarmt hat, woran gerade auch die Präfation bei der Verkündigung des jeweiligen Festgeheimnisses erinnert hat!
Die Kirche schließt sich nicht bloß einfach dem „Hochgesang“ Seiner Herrlichkeit an, als wäre es eine Selbstverständlichkeit. Nein, sie bittet sogar darum, und zwar inständig („mit ihnen [den Engeln] lass, so flehen wir, auch uns einstimmen...“), Gott anbeten zu dürfen. Sie betrachtet es als eine Gnade, als ein Privileg und Geschenk Gottes, worauf übrigens niemand einen Anspruch erheben kann, wenn man als ein gebrechliches Geschöpf Gottes Ihn erkennen und Ihm die Ehre erweisen kann!

Wie sehr kann uns diese tiefe und erhabene Betrachtungsweise der katholischen Kirche sowohl bei der Erledigung der täglichen Christenpflichten als auch in unserem Gebetsleben ermuntern. Wie schnell geht uns denn, und zwar viel zu oft, bei dem, was unser Glaubensleben angeht, die Luft aus. Wie leicht lassen wir den Mut sinken und es an gesunder Motivation fehlen. Und welch‘ eine wunderbare Welt tut sich uns auf, wenn wir die Dinge so sehen, wie sie hier in der katholischen Liturgie gesehen werden! Es ist wirklich ein erhabener Moment, wenn der Mensch Gott sein Seele öffnet und Ihm die Hingabe seines Herzens erweist!


Schaut ein Mensch aufrichtigen Blickes auf die Heiligkeit Gottes, welche Eigenschaft für Ihn am allermeisten eigentümlich ist, und die auch Seine Güte, Liebe und Barmherzigkeit umfasst, wird er nicht anders können, als diesen erhabenen Gott zu verehren, Ihn zu loben und Ihm zu danken: „Heilig, heilig, heilig, Herr, Gott der Heerscharen. Himmel und Erde sind erfüllt von Deiner Herrlichkeit. Hosanna in der Höhe!“ Das dabei zu erschallende Glöckchenzeichen macht nicht nur auf diesen erhabenen Moment aufmerksam. Da der Klang der Glocke etwas Freudiges an sich hat, unterstreicht dieses Läuten den Verherrlichungscharakter des Sanctus!
Unter der Dreiheit des Sanctus bei Isaias sah man schon in der jungen Kirche die drei göttlichen Personen angedeutet. Und indem die Kirche dieses dreimalige „Heilig“ bei der Feier des unblutigen Opfers des Neuen Bundes wiederholt, besingt sie gewissermaßen jenen Anteil am Werk unserer Erlösung, den sie jeweils daran nahmen.


Der dreieinige Gott ist der „Gott der Heerscharen“, der nicht nur die erhabene himmlische Engelwelt ins Dasein gerufen hat und fortwährend am Leben erhält, sondern auch die ganze sichtbare Schöpfung. Daher sind auch „Himmel und Erde erfüllt von Deiner Herrlichkeit“. Es gibt nämlich nichts im gesamten Universum, was nicht ein beredtes Zeugnis für die Herrlichkeit Gottes ablegen würde!
d) Bei den Juden war es üblich, während der sieben Tage des Laubhüttenfestes das sogenannte Hallel (Psalmen 112-117) im Tempel zu Jerusalem zu singen. Bei den Worten „Hosanna, gepriesen, der da kommt im Namen des Herrn“ (Ps 117,25-26) jubelte es mit Büscheln aus Palm- und Myrtenzweigen schon im voraus dem kommenden und heißersehnten Messias zu. Und bezeichnend ist, dass gerade beim Einzug Jesu in Jerusalem Jesus mit den gleichen Worten begrüßt wurde (Mt 21,9). Um so mehr sieht sich die Kirche veranlasst, Jesus diesen Jubelgesang darzubringen, da sie in Ihm den bereits gekommenen göttlichen Erlöser erkennt!


Das „Hosanna“ bedeutet nach dem hebräischen Text ursprünglich soviel wie „Schaffe Heil, Hilfe“. Im Mund des Volkes allerdings war dieses „Hosanna“ bereits ein Huldigungsruf, der einer Verehrung gleichkam. Der Zusatz „in der Höhe“ bestärkt diese Interpretation. Wenn also die Kirche in ihrer Liturgie Christus mit diesen Worten begrüßt, will sie Ihm ihre Verherrlichung zukommen lassen: „In der Messe deutet man Hosanna am besten folgendermaßen: Ihm, der zu uns kommt (in der heiligen Wandlung), werde („sit“) Hosanna, d.h. Verherrlichung im Himmel von den Engeln und Heiligen dargebracht, ein Wunsch, durch welchen der Priester oder die Sänger sich gleichsam innerlich an jenes im Himmel erschallende Lob anschließen.“ (Eisenhofer, L., Handbuch der katholischen Liturgik. Band II, Freiburg 1933, S. 162.)


Somit bilden die unmittelbar im Anschluss an das Sanctus gesprochenen Worte der Liturgie „Hosanna in der Höhe“ gewissermaßen den Übergang zum Benedictus: „Hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! Hosanna in der Höhe!“ (Früher wurde dieses Benedictus erst nach der hl. Wandlung gebetet.) Die Gläubigen schauen auf den in der Wandlung auf dem Altar gegenwärtig werdenden Gottmenschen und huldigen Ihm mit den dem Psalm 117 entlehnten Worten. Dabei bekreuzigen sie sich mit dem Kreuzzeichen und drücken so ihren Glauben an den ans Kreuz gehefteten Erlöser aus.
Während man sich beim Sanctus in der ehrfurchtgebietenden Gegenwart der Engel und angesichts der göttlichen Majestät befindet, verrichtet der Priester diesen Hymnus in geneigter Körperhaltung. Da man aber beim Benedictus seinen Blick auf den kommenden Erlöser richtet und Ihm zuzujubeln beginnt, verrichtet man dieses wieder in aufrechter Haltung.



P. Eugen Rissling
 

 

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