Kirche und Tradition

Das moderne Rom (Fortsetzung) 

Wie die Riten der Taufe, der Firmung, der Buße und der Letzten Ölung praktisch künstlich neu geschaffen wurden, so erfuhren auch die übrigen Riten der hl. Sakramente weitestgehende Veränderungen. So gibt es auch keinen einzigen Teil der Heiligen Messe, der nicht “modernisiert” worden wäre. 

Zunächst fällt grundsätzlich auf, dass in fast sämtlichen nachkonziliaren “katholischen” Kirchengebäuden ein Tisch eingebaut wurde, auf dem die “Novus-Ordo”-Zelebration stattfindet. Also fällt der Hochaltar als der nähere Zelebrationsort aus, auch vollzieht der betreffende Zelebrant eine Kehrtwendung im Hinblick auf die Zelebrationsrichtung - nicht mehr Osten, sondern Westen (Vgl. dazu “Beiträge/15, S.10-16)! In der Regel wird auch die Volkssprache - nicht mehr das universale Latein! - als die Zelebrationssprache verwendet (Vgl. dazu “Beiträge”/11, S.10-16). Im einzelnen begibt sich der “Novus-Ordo”-Zelebrant gleich nach dem Einzug hinter den Mahltisch - das Stufengebet als solches ist gestrichen worden! Dasselbe gilt auch für die sich daran anschließenden tiefsinnigen Gebete, die der Priester beim Hinaufsteigen zum Altar spricht. 

Stattdessen kann die “neue Messe” mit dem “Gesang zur Eröffnung” begonnen werden1. Wird er nicht gesungen, wird empfohlen - nicht vorgeschrieben! -, ihn in die darauf folgende “knappe Einführung in die Feier” einzubeziehen. Da aber diese auch nur “gegeben werden kann”, erscheint dieser Eröffnungsvers demnach nicht als fester Bestandteil der modernen “Eucharistiefeier”! Dieser Eröffnungsvers soll an den Introitus der überlieferten Römischen Liturgie erinnern. Nur weicht er sowohl seiner Form nach - er besteht im Unterschied zum Introitus (vgl. “Beiträge”/21, S.18) aus einem einfachen Psalmvers - als auch inhaltlich von ihm ab. Es wird nämlich nicht selten eine ganz andere Schriftstelle hierfür genommen. Als neues Element erscheint die “Begrüßung der Gemeinde”, die aus dem Kreuzzeichen und einem aus acht vorgeschlagenen Begrüßungssprüchen besteht. Danach die bereits erwähnte “Einführung” des Zelebranten, für die es aber keinen einzigen Gestaltungsvorschlag gibt. Also wird innerhalb der Liturgie als eine sonst unvorstellbare Neuheit ein rein menschliches Element eingebaut. Wen wundert's, wenn er an dieser Stelle banales Geschwätz zu hören bekommt? 

Das “Allgemeine Schuldbekenntnis” wird mit einer von fünf Einladungsformeln eingeleitet. Auf “eine kurze Stille für die Besinnung” folgt eine der drei eigentlichen Bekenntnisformen. Die Form A besteht aus dem sehr stark gekürztem Confiteor der Römischen Liturgie, die Form B lediglich aus vier kurzen Gebetssprüchen, die Form C aus einer ebenfalls neuformulierten und ebenfalls kurzen “Kyrie-Litanei”. Den Schluß bildet eine der drei kurzen “Vergebungsbitten”, wovon nur die zweite aus den entsprechenden Gebeten des Römischen Ritus genommen wurde. Das Kyrie Eleison entfällt, wenn zuvor beim “Schuldbekenntnis” die Form C, die “Kyrie-Litanei”, verwendet wurde. Auch das Gloria (sollte es sonst vorgeschrieben sein) “darf durch ein Gloria-Lied ersetzt werden”. Da ja auch der Zelebrant in diesem Fall das Gloria nicht betet, kann demnach auf diesen uralten Lobgesang Gottes verzichtet werden. Der Altarkuß und das “Dominus vobiscum” vor der Oration sind entfallen. Inhaltlich stimmt das neue “Tagesgebet” in den seltensten Fällen mit der alten Oration überein! Nicht nur ist es in der Regel neu formuliert worden, auch in den besagten Fällen der Übereinstimmung gibt es teilweise Abweichungen in der Formulierung - offensichtlich das Ergebnis der Bemühung, nicht an den Römischen Ritus zu erinnern! 

Die moderne “Eucharistiefeier” kennt zusätzlich zu Lectio/Epistel und Evangelium noch eine andere (alttestamentarische) Lesung. An sich ist dagegen nicht unbedingt etwas einzuwenden, die alten Römischen Meßformulare kannten nicht selten auch drei Lesungen. Nur darf nicht übersehen werden, dass diese Einfügung im Zusammenhang mit der sträflichen Zurückdrängung des Opfergedankens und -geschehens in der “neuen Messe” erfolgte! Der alten Kirche dagegen war der Opfercharakter der Heiligen Messe sehr wohl bewusst. Auch stimmt sehr nachdenklich, dass man die ganze Lektionsordnung veränderte: nicht etwa hat man die alte Epistel und das Evangelium belassen und nur noch die alttestamentarische Lesung hinzugefügt - in der Regel werden neuerdings an Sonn- und Feiertagen ganz andere Abschnitte aus der Hl. Schrift vorgetragen als vor der “Liturgiereform” Pauls VI. (Vgl. dazu “Beiträge”/9, S.7f.) Wie sollte denn auf der anderen Seite dieser Traditionsbruch auch vermieden werden, wenn man statt bisher ständig nur einem nun vier Lesejahreszyklen einführt? 

Jene zwei ergreifenden Gebete, die nach dem Römischen Ritus vor dem Vortrag des Evangeliums verrichtet werden, sind gänzlich gestrichen worden. An die Stelle des sogenannten Großen, nicäno-konstantinopolitanischen “Credo” kann nach dem “neuen” Missale auch das Apostolische Glaubensbekenntnis treten. An sich, d.h. in guten Zeiten, ist daran nichts auszusetzen. Da aber das erstere “Credo” die einzelnen Glaubenswahrheiten doch etwas ausführlicher behandelt, wäre es in der heutigen Zeit der Glaubensentfremdung und des -verlustes ratsamer und zweckdienlicher gewesen, es bei der früheren, über 1600-jährigen kirchlichen Praxis zu belassen. Auch wird die Kniebeuge bei den Worten “et incarnatus est...” neuerdings lediglich an Weihnachten und an Mariä Verkündigung gemacht, sonst nur eine Verbeugung. Die moderne “Eucharistiefeier” führt “Fürbitten” nach dem Evangelium ein. Nun, diese Fürbitten kannte die älteste Römische Liturgie ebenfalls (das “Oremus” vor der Opferung ist ein Indiz dafür). Auch der gallikanische, ambrosianische und die verschiedenen östlichen Meßriten weisen sie auf. Nur sind sie sonst überall ihrem Wortlaut nach exakt festgelegt! Dadurch wollte man kirchlicherseits nicht einmal den leisesten Verdacht aufkommen lassen, als biete die Liturgie den Raum für die “Künste” menschlicher Macher! 

Nur die “neue Messe” kennt keine inhaltliche Festlegung in den Texten ihrer “Fürbitten”. “Man erlebt heute in der freien Gestaltung dieser Gebete schlimme Entgleisungen. Auch was an Formularen in eigenen Sammlungen angeboten wird, ist meist wenig brauchbar.”2 Ist es da falsch zu fragen, ob sich denn hinter der frommen Fassade der neuzeitlichen “Liturgiereform” nicht das Interesse verbirgt, die Liturgie als solche auch auf diese Weise ihrer Göttlichkeit zu berauben? 

Ein Offertorium gibt es nicht mehr. Es kann hier lediglich ein “Gesang zur Gabenbereitung” erfolgen. Die “Begleitgebete zur Gabenbereitung über das Brot” und “...über den Kelch” lassen nicht die geringste Ähnlichkeit mit den entsprechenden Gebeten der Opferung des überlieferten Meßritus erkennen! Auf ihre theologischen Irrtümer haben wir bereits hingewiesen (vgl. “Beiträge”/14, S.21-24).

Beim Gebet, das bei der Vermischung des Weines mit Wasser verrichtet wird, erinnert der “Novus Ordo Missae” lediglich mit einer einzigen Wendung - sonst stark gekürzt und teilweise neu formuliert - an das entsprechende Gebet des Römischen Ritus. Das erste Gebet nach der Darbringung des Opferweines ist im wesentlichen identisch geblieben, dennoch wurde es umformuliert. Das zweite Gebet dagegen, die Anrufung des Hl. Geistes, ist restlos entfallen. Kaum anders erging es dem Lavabo-Psalm bei der Händewaschung. Er wurde mit zwei sehr kurzen Gebetsbitten ersetzt, die zwar ähnlich klingen, aber dennoch nicht diesem Psalm 25 entnommen sind. Das abschließende Gloria Patri... ist ebenfalls weggefallen wie das “Aufopferungsgebet zur allerheiligsten Dreifaltigkeit”. 

Eigentlich einzig und allein das Orate fratres... könnte identisch bleiben, wenn es nicht mit zwei vorgegebenen neuformulierten oder mit einer “anderen geeigneten Gebetseinladung” ersetzt werden dürfte. Das darauf folgende “Gabengebet”... stimmt (wie das “Tagesgebet”) inhaltlich in der Regel nicht mit der Römischen Secret überein. Viele Meßformulare des 1.Jahrtausends kennen nicht selten eine hohe Anzahl einzelner Präfationen. “In Rom beschränkte man sich seit Gregor d. Gr. auf neun Präfationen”3. Später kamen noch einige hinzu, so dass das unter Papst Pius XII. gültige Missale 15 Präfationen enthält: einige für bestimmte liturgische Jahreszeiten, einige für bestimmte Feste oder Anläße. Mit dieser sinnvollen Aufteilung sollte in der Liturgie mehr Ordnung und Übersichtlichkeit herrschen. Der in den Ostkirchen weit verbreitete Byzantinische Meßritus kennt eigentlich nur zwei verschiedene Anaphoraformulare, die der Römischen Präfation gleichkommen. 

An sich könnte die Kirche auch weitere Präfationen einführen, so z.B. eine für Messen zu Ehren der Martyrer oder der Engel. Keinesfalls aber darf dabei aus Treue zum eigenen Ritus die Größenordnung gesprengt werden. Das aber erfolgte mit der “Eucharistiefeier” Pauls VI., die laut neuem “Schott-Meßbuch” 74 verschiedene Präfationen enthält - eine Inflation! Dabei gibt es in vier Fällen teilweise und nur in sieben Fällen weitgehende inhaltliche Übereinstimmung mit Römischen Präfationen. Keine einzige aber ist völlig identisch mit ihnen. Der große Rest stellt neue Schöpfungen dar. Das Sanctus wurde nicht geändert. Allerdings heißt es nun in der Rubrik, es dürfe “nur durch ein Lied ersetzt werden, das mit dem dreimaligen Heilig-Ruf beginnt und dem Inhalt des Sanctus entspricht”. Letztendlich doch eine Abweichung. “Einen völligen Bruch mit der Tradition stellen die drei neuen 'Canones' dar. Sie sind nach Vorlagen orientalischer Texte neu geschaffen (nicht übernommen! - Anm. der Red.) und zum mindesten vom Stil her innerhalb des römischen Ritus Fremdkörper.”4 Von ihren theologischen Mängeln ganz zu schweigen5

Der überlieferte Meßkanon, den das Montini-Missale von 1969 noch enthält, ist auch an einigen Stellen abgeändert worden: viele schöne Gebärden und Gebetshaltungen des Priesters (auch Kniebeugen!) und sämtliche Kreuzzeichen (ob mit der Hand oder mit den Opfergaben) sind bis auf ein einziges Kreuzzeichen gestrichen, acht neue Formulierungen beim Gedächtnis der Heiligen eingeführt, der “Einsetzungsbericht” den anderen “Hochgebeten” (u.a. auch die falschen Wandlungsworte!) angepaßt worden. Also kann dabei keine Rede mehr vom Römischen Meßkanon sein! Schon 1962 ist mit der Einfügung des hl. Josef in den Kanon dessen Unantastbarkeit praktisch aufgehoben worden. 

Außerdem sind in den von Bischofskonferenzen gutgeheißenen volkssprachlichen Übersetzungen Wortstreichungen und -umformulierungen vorzufinden. Man beachte auch die ständige Veränderung der theologischen und liturgischen Begriffe! Neben der überlieferten Einleitung zum Vaterunser können auch drei weitere “oder eine andere geeignete Einladung” erfolgen. Dieses Herrengebet selbst ist wenigstens in deutscher Fassung teils gekürzt und teils umformuliert worden. Das anschließende Gebet Libera nos ist sehr stark zusammengestrichen worden, auch kann es durch eine andere ganz kurze Gebetsformel ersetzt werden. Das überlieferte Gebet bei der Brechung der hl. Hostie ist samt dazugehörender Kreuzzeichen verschwunden. Das Gebet bei der anschließenden Mischung der hl. Gestalten ist sowohl gekürzt als auch teilweise umformuliert worden. Anstelle des Agnus Dei “kann auch ein Agnus-Dei-Lied gesungen werden”. Das erste der drei Gebete vor Empfang der hl. Kommunion, das Friedensgebet, erfuhr einen kleinen Zusatz. Auch kann es “der Zeit des Kirchenjahres oder dem Anlaß angepaßt werden”. Es folgen vier andere (neue) Formulierungen. Das zweite Gebet wurde leicht umformuliert und gekürzt. Es kann aber auch mit dem jämmerlichen Rest des dritten dieser drei Gebete ersetzt werden. Das bereits erwähnte Gebet bei der Brechung der hl. Hostie wurde zu einer reinen Begrüßung der Gemeinde umfunktioniert und durch das neu eingeführte allgemeine Händeschütteln im Kirchenraum ergänzt. Von der neuen Mentalität zeugen auch zahlreiche Umstellungen in der Reihenfolge der einzelnen Gebete und Handlungen nach dem Vaterunser. 

Das Gebet “Das Himmelsbrot will ich nehmen...” ist samt vorausgehender Kniebeuge des Priesters verschwunden. Das Gebet “Herr, ich bin nicht würdig...” wird nur einmal und auch für alle gleichzeitig gesprochen, also nicht mehr gesondert bei der Priesterkommunion. Auch kann es neuerdings mit verschiedenen kurzen Gebetsformeln ergänzt werden. Das dieser Priesterkommunion unmittelbar vorausgehende Gebet “Der Leib unseres...” erfuhr auch eine Veränderung. Beide Gebete vor dem Empfang des hl. Blutes sind gänzlich entfallen. Ebenso erging es dem Confiteor und den beiden Gebeten vor der Kommunion des Volkes. Lediglich das Gebet “Seht das Lamm Gottes...” blieb wie gehabt erhalten. Nicht so das Gebet bei der Kommunionausteilung: aus “Der Leib unseres...” wurde ein einfaches “Der Leib (bzw. `Das Blut`) Christi” mit der in diesem Fall widersinnigen Antwort “Amen” (“Es soll/möge so sein”). Von den zwei Gebeten, die der röm.-kath. Priester bei der Reinigung des Kelches spricht, ist nur das erste davon erhalten geblieben. Die Reinigungsweise des Kelches wurde vereinfacht. Nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass das “neue” Missale keine Schließung der Daumen- mit den Zeigefingern des Priesters nach der hl. Wandlung zwecks Vermeidung von Verunehrung des Allerheiligsten mehr vorsieht. 

Anstelle des “Kommunionverses” (der alten Communio) kann neuerdings auch “ein entsprechendes Lied” gesungen werden, d.h. auch der Zelebrant verzichtet dann auf dessen Rezitation. Altarkuß des Priesters, Dominus vobiscum und Oremus vor der Postcommunio entfallen. Inhaltliche Übereinstimmung zwischen Communio-“Kommunionvers” und Postcommunio-”Schlußgebet” erscheinen wiederum eher zufällig. Bei der Entlassung des Gläubigen am Schluß der “neuen Messe” wurden das Ite, missa est und der Segen des Priesters in der Reihenfolge vertauscht. Dabei wird dieses Ite, missa est sprachlich nicht korrekt wiedergegeben. Auch kann dieser Segen samt Entlassung entfallen, falls eine andere “Eucharistiefeier” folgt. Das wunderbare wie tiefsinnige Gebet Placeat tibi, sancta Trinitas unmittelbar vor der Segnung ist ebenso entfallen wie das Schlußevangelium aus Joh 1,1-14, das eine Art herrliche Zusammenfassung der Heilsereignisse darstellt. Alles in allem stellt die moderne “Eucharistiefeier” keine wie auch immer geartete Reformierung des überlieferten Römischen Meßritus dar, sondern die künstliche Schaffung eines neuen Ritus, der nur entfernt an den alten Ritus erinnert! 

 

P. Eugen Rissling



1 Schott-Meßbuch für die Sonn- und Festtage des Lesejahres A. Herder 1983 - auch im Folgenden
2 Gamber, K., Fragen in die Zeit. Kommissionsverlag Friedrich Pustet 1989, S.86. 
3 Eisenhofer, L., Handbuch der kath.Liturgik. Herder 1933, S.157. 
4 Gamber, K., wie oben, S.87. 
5 Von verschiedenen Bischofkonferenzen wurden für ihren Bereich weitere “Hochgebete” erlaubt, so z.B. in der Schweiz und in Zaire.
 

 

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