Kirche und Tradition


Teil 4

Das moderne Rom 

Wiederholt haben wir in der Vergangenheit im Rahmen unserer Zeitschrift auf die Irrtümer des postkonziliaren Rom hingewiesen. Verbunden mit der Darlegung des überlieferten katholischen Glaubens haben wir uns bemüht, die Grundfehler der modernistischen Bewegung aufzuzeigen. Auch eine ganze Reihe anderer religiöser Publikationen, die sich dem genuinen katholischen Glauben verpflichtet wissen, ist ebenfalls bestrebt, die Gläubigen auf die Häresien der postkonziliaren Zeit aufmerksam zu machen und sie davor zu warnen. 

Dabei nehmen die Autoren auf sich die Mühe, die theologische, glaubensinhaltliche Seite der jeweiligen Glaubenswahrheiten bzw. Irrlehren zu erörtern, was auch dringend geboten ist. Da aber dieser “neue Glaube” seinen Niederschlag unter anderem auch in den seit Ende der 60-er Jahren “reformierten” Sakramentsriten gefunden hat, ist es unerlässlich, sich auch mit diesen liturgischen “Neuerungen” dogmatisch auseinanderzusetzen. 

Aber man hat sich nicht nur in theologischer Hinsicht mit diesen “neuen Sakramenten” zu beschäftigen, sondern auch zu prüfen, ob und in welchem Umfang sich das moderne Rom bei der “Neugestaltung” der verschiedenen Sakramentsriten an den Grundsatz der Kontinuität in den Riten, an die aus dem apostolischen Zeitalter überlieferten Mess- und Sakramentsriten gehalten hat. Dieser Frage wollen wir heute hier nachgehen, und zwar einmal unabhängig davon, ob diese “reformierten” Riten dogmatisch rechtgläubig sind oder nicht. Wie bereits dargelegt (“Beiträge”/23, S.4-7), kann man ja auch daran ablesen, ob sich das moderne Rom an das Prinzip der Tradition zum überlieferten katholischen Glaubensgut hält und somit katholisch sein will oder nicht! 

Wenn wir uns den “neuen” Taufritus1 (von 1969) anschauen, stellen wir fest, dass sich in ihm außer der Taufformel selbst kein einziges Gebet mehr aus dem ehrwürdigen überlieferten Römischen Ritus der hl. Taufe exakt wiederfindet! So sind z.B. folgende Zeremonien und Gebete der “Reform”wut der Neuerer zum Opfer gefallen: die eindrucksvolle dreifache Anhauchung des Täuflings, verbunden mit dem Befehl: “Weiche von ihm/ihr, du unreiner Geist, und gib Raum dem Hl. Geist, dem Tröster”; die Zeremonie des Exorzismus und der Segnung des Salzes (Salz in seiner Bedeutung als bewahrendes und erhaltendes Mittel!); das anschließende Gebet, der Herrgott möge den Täufling nicht länger hungern lassen und zum Bad der Wiedergeburt geleiten, damit er den ewigen Lohn Seiner Verheißungen erlange. 

Der zweimal vorkommende, seinem Ursprung nach uralte Exorzismus über die Täuflinge, ist ebenfalls gestrichen worden. Dabei beschwor der Priester den “unreinen Geist”, er möge von jenen weichen, damit sie “ein Tempel des lebendigen Gottes werden, und der Hl. Geist in ihnen wohne”. Dadurch wurde bei jeder Taufhandlung vor allen Anwesenden die Heilsnotwendigkeit der Taufe unterstrichen und feierlich die Wahrheit kundgetan, dass jeder Mensch ohne die Erlösung Christi verloren geht. Ist denn die verhängnisvolle Verharmlosung des Zustandes ohne Taufe und ohne den christlichen Glauben nicht unter anderem auch auf diese Streichungen zurückzuführen? Ebenfalls keine Spur von der ergreifenden Einschärfung der Gebote der Gottes- und der Nächstenliebe durch den taufenden Priester, wollen die Täuflinge “zum Leben eingehen”. Ist es denn heute überflüssig, darauf hinzuweisen? 

Die Bezeichnung der Stirn des Täuflings mit dem Zeichen des hl. Kreuzes hat dasselbe Schicksal erlitten. Die (vorherige) Bezeichnung der Stirn und der Brust ist wie eine Reihe anderer Gebete und sakraler Handlungen umformuliert bzw. umfunktioniert worden. Dazu gehören die Auflegung der rechten Hand auf das Haupt des Taufkandidaten (begleitendes Gebet ganz entfallen), die Berührung dessen Ohren und Nase mit Speichel befeuchtetem Daumen des Priesters, sowohl die einleitende als auch die unmittelbar vor der eigentlichen Taufe stattzufindende Befragung der Täuflinge. Die altehrwürdige Zeremonie der Salbung der Taufbewerber mit dem Katechumenenöl ist nicht mehr zwingend vorgeschrieben, sie kann auch entfallen. In diesem Fall legt der Zelebrant dem Täufling lediglich schweigend die Hand auf. Das Gebet bei dieser (eventuellen) Salbung erinnert nur entfernt an das betreffende Gebet im überlieferten Taufritus. Das Gebet, das zur Salbung mit dem heiligen Chrisma nach der Wassertaufe verrichtet wird, ist abgeändert worden. Ebenfalls die Gebete bei der Überreichung des weißen Kleides und der brennenden Kerze. Bis in relative Kleinigkeiten hinein musste also alles neu, alles anders formuliert werden - offensichtlich hatte man Angst, Ähnlichkeit oder Verwandtschaft mit dem ehrwürdigen Römischen Ritus aufzuweisen! 

Der “neue” Taufritus bricht auch mit dem an tiefer Symbolik reichen Umstand, dass bisher erst relativ kurz vor der Wassertaufe der Einzug der Täuflinge in den Kirchenraum erfolgte - bis dahin fanden alle Zeremonien außerhalb des eigentlichen gottesdienstlichen Raumes statt, weil Nichtchristen nach christlichem Verständnis keinen Zugang zu Gott haben (vgl. Mk 16,16). Der “Novus Ordo”-Zelebrant bittet dagegen gleich nach dem einleitenden “Gespräch mit den Eltern” die Anwesenden, sich in den Kirchenraum zu begeben. Somit wird dieser altchristliche Brauch, der die heilsgeschichtliche Bedeutung der hl. Taufe zum Ausdruck bringt, einfach über Bord geworfen! Der “moderne” Taufritus bricht auch mit der uralten Tradition der Lossagung der Täuflinge vom Satan und des Bekenntnisses zum wahren Glauben (mittels der Taufpaten!) - lediglich deren Eltern und Paten werden jetzt danach gefragt. Folglich kann auch von keinem Taufgelübde mehr die Rede sein, denn wo kein Versprechen, da auch keine Verpflichtung! Man wende bitte nicht ein, ein unmündiges Kind sei zu keinen Bewußtseinsakten fähig. Der Kern des Problems liegt nämlich darin, dass die “moderne Kirche” mit scheinheiligen Argumenten die Grundsätze aufhebt, die in ihrer Geltung nicht anzuzweifeln sind! Schon in apostolischer Zeit galt es für jeden, sich vor der Taufe von der Sünde loszusagen und zu Gott zu bekennen (vgl. Mt 3,1-12; Apg 8,35-38). 

Somit sind entgegen der alten Praxis auch das vorherige Vaterunser und Apostolische Glaubensbekenntnis (in ihrem Wortlaut jedenfalls in deutscher Sprache an nicht wenigen Stellen ebenfalls verändert) dementsprechend nicht mehr als Ausdruck des Glaubens der Täuflinge anzusehen. Diese kurze Auflistung konkreter “Reformen” im Ritus der hl. Taufe genügt, um zu erkennen, dass das neue Rom mit dem “erneuerten” Taufritus nichts anderes getan hat, als den gültigen überlieferten Ritus abzuschaffen und an seine Stelle einen ganz neuen Ritus zu setzen - eine bis dahin so noch nie da gewesene Vorgehensweise! Die Einfügung einiger neuformulierter Gebete (samt Schriftlesungen) in diesen “modernisierten” Ritus bestätigt diese Feststellung. 

Dieselbe Linie wurde auch bei der “Neugestaltung” der Riten anderer Sakramente verfolgt. Bei der “Feier der Versöhnung für Einzelne”2 (d.h. Beichte) ist das kurze einleitende Gebet des Priesters, das in Segensform gehalten wird und eine Segnung des Beichtkindes beinhaltet, umgewandelt worden in ein bloßes Fürbittgebet für das Beichtkind (kein Segen mehr damit verbunden). Neu ist, dass diesem Gebet einige Schrifttexte angeschlossen werden können. Das Lossprechungsgebet, das unter der Ausstreckung der rechten Hand des Priesters verrichtet wird, ist - wie kaum anders zu erwarten - durch ein anderes, neuformuliertes ersetzt worden, das unter anderem auch nicht mehr von der Befreiung von eventuellen Sündenstrafen spricht. Nur die eigentliche Lossprechungsformel ist identisch geblieben (“Ich spreche dich los...”). Denn auch das abschließende sogenannte Entlassungsgebet des Priesters, in dem es darum geht, dass sowohl das Leiden Christi als auch die Verdienste der Muttergottes und aller Heiligen dem Beichtenden zur Nachlassung der Sünden, zur Vermehrung der Gnaden gereichen mögen, ist lediglich mit einer kurzen Entlassungsformel ersetzt worden. 

Der Ritus der hl. Ölung3 (neuerdings “Krankensalbung” genannt) ist ebenfalls radikal geändert worden. Zwar ist er ergänzt worden mit Schriftlesung, (neuformulierten) Fürbitten, dem Lobpreis und der Anrufung Gottes über dem Öl. Dennoch ist in ihm - was die wesentlichen Handlungen angeht - sowohl das unmittelbar vor den eigentlichen Salbungen unter Handauflegung bzw. -ausbreitung zu verrichtende Gebet gänzlich entfallen als auch das Gebet bei den einzelnen Salbungen durch zwei andere ersetzt worden. Auch werden nach dem “neuen” Ritus nicht mehr Augen, Ohren, Nase, Lippen, Hände und Füße (d.h. die Einzelsinne) gesalbt, sondern lediglich die Stirn und die Hände. Auch sonst lassen sich die nach dem überlieferten Ritus zu sprechenden Gebete für den Kranken so nicht mehr wiederfinden, sogar das allgemeine Sündenbekenntnis (“Ich bekenne...”) musste gekürzt werden. Neu ist der Umstand, dass der “Novus Ordo”-Zelebrant nun auch das Krankenöl weihen kann, falls kein vom Bischof geweihtes Öl zur Verfügung steht. Diese Vollmacht steht nach dem authentischen Römisch-Katholischen Ritus ausschließlich dem Bischof zu. 

Ähnlich ist es auch dem Ritus der Firmung4 ergangen, da auch sein wesentlicher Bestandteil Änderungen erfuhr. So wurde in ihm nicht nur das unter Ausbreitung der Arme des Bischof über die Firmlinge zu verrichtende Gebet umformuliert, wobei auch die damit verbundene Segnung der Firmlinge entfiel, sondern auch die eigentliche Firmformel abgeändert. Auch wenn sie jetzt im “Novus Ordo” an das entsprechende Gebet in der Firmung nach dem byzantinischen Ritus erinnert, stellt sich doch die ernste Frage, warum denn nicht die Treue zum eigenen Ritus bewahren wurde! 

Außerdem ist der Backenstreich mit seiner tiefen und reichen Symbolik (Ritterschlag, Bereitschaft zum Christus- und Glaubensbekenntnis, zum Ertragen von Nachteilen, von Leiden) aus dem Ritus der Firmung entfernt worden. 

 

P. Eugen Rissling

 


1 Die Feier der Kindertaufe. Volksausgabe. Herder 1991. 
2 Feier der Buße nach dem neuen Rituale Romanum. Studienausgabe. Herder 1974. 
3 Die Feier der Krankensakramente. Herder 1995. 
4Die Feier der Krankensakramente. Herder 1995

 

 

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