Gedanken über das katholische Priestertum heute


Wohl die meisten der katholischen Gläubigen, die die besondere Gelegenheit erhalten, Zeugen der Priesterweihe oder der Primiz eines jungen Priesters zu werden, den man vielleicht auch noch persönlich kennt, würden sicherlich ihre Zustimmung zum folgenden beherzt-spontanen Emotionsausbruch geben: Endlich hat er sein Ziel erreicht! Man freut sich aufrichtig für den Neupriester und gönnt ihm seine große Freude, endlich ein katholischer Priester, ein Priester des Herrn geworden zu sein!

Und auch in der Tat bereitet man sich ja in der katholischen Kirche jahrelang auf den Empfang des Sakramentes der hl. Priesterweihe vor. Eine gesunde geistig-spirituelle Grundlage muss gelegt werden, gründliche Kenntnisse in verschiedenen theologischen Disziplinen sind zu erwerben, ausreichendes philosophisches Wissen ist zu vermitteln, gesunde pastorale Fähigkeiten wären zu wecken und so weiter und so fort.

So bereiten sich die Kandidaten in den Priesterseminaren neben dem Studium auch und vor allem durch tägliches Gebet und verschiedenste geistliche Übungen auf den großen Tag ihrer Priesterweihe vor. Und auch wie viel persönliches Ringen, so z.B. um die Erkenntnis und Verfestigung der eigenen priesterlichen Berufung oder um die persönliche sittliche Vervollkommnung, sind in all den Jahren vor der Weihe bisweilen vonnöten, um dann zu Beginn der Weihe selbst ein ehrliches und aufrichtiges „Adsum - Hier bin ich!“ auf den entsprechenden namentlichen Aufruf des Erzdiakons sprechen zu können. Somit muss ein jeder Seminarist tatsächlich nicht weniges an eigener Leistung und Selbstüberwindung aufbringen, um von der legitimen kirchlichen Obrigkeit zu den heiligen Weihen zugelassen zu werden. Er hat mit all seiner Anstrengung unter anderem ganz speziell auch auf dieses besondere Ziel hingearbeitet und hat es am Tag seiner Priesterweihe nun tatsächlich endlich erreicht!

Allerdings sollte ein jeder Priester auch daran denken, dass die Priesterweihe nicht als eine Art Entlohnung für bisher erbrachte Leistungen angesehen werden kann, als ob man sich jetzt darauf ausruhen könnte und dürfte. Man kann die Priesterweihe nicht besitzen wie eine Sache, wie einen toten Gegenstand. Nein, mit ihrer Erteilung ergeht an den entsprechenden Kandidaten untrennbar auch der klar umrissene Auftrag, als ein Priester des Herrn zu leben und zu wirken! Zwar stellt die priesterliche Würde des Neuen und Ewigen Bundes auf der einen Seite eine Gabe dar, die als solche einem gültig Geweihten niemals wieder genommen werden kann. Auf der anderen Seite bedeutet diese Gabe zugleich auch eine Aufgabe, die mit dieser Gabe inhaltlich innigst verbunden ist.

So gesehen hat ein junger, gerade geweihter Priester in bestimmter Hinsicht noch überhaupt nichts erreicht, denn er muss ja zunächst als Priester wirken, sich im Laufe der Zeit erst als solcher bewähren! Denn das Priestertum zu besitzen, ohne es in entsprechender Weise zur Ehre Gottes und zum Heil der unsterblichen Seelen einzusetzen, würde dem eigentlichen Sinn und der übernatürlichen Bestimmung des Weihesakramentes zutiefst widersprechen.

Nein, ein Priester hat wenn überhaupt erst dann etwas sozusagen „erreicht“, wenn er z.B. vor dem Altar Gottes steht und jeden einzelnen Tag seines Lebens Gott zum Ruhm das unbefleckte Opfer des Neuen und Ewigen Bundes darbringt! Wenn er bei dieser Gegenwärtigsetzung und sakramentalen Erneuerung des sühnenden Opferwillens Christi, unseres göttlichen Erlösers, wie Christus selbst (an dessen Stelle er ja handelt) vor den himmlischen Vater hintritt, um „Fürsprache“ für die Gläubigen „einzulegen“ (vgl. Hebr 7,25) und reichlich göttliches Erbarmen auf sie herabzurufen! Wenn er bei der Austeilung der hl. Kommunion, des kostbaren Leibes unseres Herrn Jesus Christus, den Menschen sowohl das wahre himmlische Manna als auch die eigentliche göttliche Seelenspeise zum Genuss reicht!

Der Priester lebt sein in der Weihe erhaltenes Priestertum, wenn er den Menschen das Licht Christi vermittelt und sie im Bad der Wiedergeburt (Taufe) geistig zum Leben erweckt. Wenn er sich das bisweilen auch ihn selbst sehr belastende Schuldbekenntnis der Sünder anhört, für sie betet, sie in mühsamer und geduldiger Arbeit auf den Weg der Umkehr und der Besserung zu führen versucht und sie dann in der Stellvertretung Jesu Christi im Beichtsakrament schlussendlich von ihrer Schuld rein wäscht. Wenn er zum Lager eines kranken bzw. sterbenden Gliedes der Kirche eilt, es reichlich mit den Gnadentröstungen Christi beschenkt, für den letzten Kampf hier auf Erden stärkt und somit gewissermaßen zur Ewigkeit führt!

Der Inhalt des neutestamentlichen Priestertums besteht auch darin, dass der Priester für seine Gläubigen die echte Liebe Christi aufbringt, mit ihnen in ihren verschiedenen Lebenslagen empfindet, sie sowohl mit seinem Gebet unterstützt als auch ihnen mit geistigen Impulsen (bei Unterricht, Zuspruch und Predigt) zur Seite steht.

Und auch wird vom katholischen Priester heute verlangt, dass er die Bereitschaft aufbringt, lange Wege und damit verbunden so manche Mühe auf sich zu nehmen, um seine Herde zu erreichen und ihr geistige Nahrung zu vermitteln. Denn wer diese Opfer scheuen sollte (sofern er dazu natürlich z.B. gesundheits- oder altersbedingt überhaupt in der Lage ist), würde nicht wie der „gute Hirt“ Jesus Christus handeln, welcher ja den verlorenen Schafen nachging und sogar Sein eigenes Leben für diese hingab, sondern wie ein Mietling, der die Schafe im Stich ließ und floh, als er den Wolf sah (vgl. Joh 10,11f.)!

Die Priester sind, ob nun jung oder alt, geistige Väter für die Gläubigen und werden von diesen auch ausdrücklich als solche betrachtet und namentlich bezeichnet (so z.B. im priesterlichen Titel). So soll sich ein jeder Priester stets in Erinnerung rufen, sich auch tatsächlich als ein solcher „Vater“ bzw. „Pater“ zu erweisen! Denn letztendlich zählt vor Gott und der Kirche nicht der Titel und auch nicht allein die Weihe, sondern wie der betreffende Priester seinen in der hl. Priesterweihe erhaltenen Auftrag zur Fortsetzung des Heilswirkens Christi auffasst und erfüllt.

Die feierliche Primiz eines jeden (katholischen) Neupriesters symbolisiert die Vermählung dieses Priesters mit der (katholischen) Kirche, weshalb ja in Deutschland der schöne Brauch verbreitet ist, dass bei der Primiz auch ein kleines Mädchen im weißen Gewand und mit einem Kränzchen auf einem weißen Kissen in der Hand die Rolle einer so genannten Primizbraut übernimmt. Dies soll den Priester ebenfalls daran erinnern, dass er der gesamten katholischen Kirche, das heißt auch den Gläubigen (!), etwas schuldet, und zwar aus der Tatsache heraus, dass sie ihn im Sakrament der Priesterweihe im Auftrag Christi mit überirdischen priesterlichen Vollmachten ausstattete und somit zum Wirken im Weinberg des Herrn beauftragte!

Ebenfalls hat ein Priester erst dann etwas „erreicht“, wenn er z.B. dem Missionsauftrag des Herrn getreu den Menschen in Wort, Schrift und Tat unverkürzt (!) das Evangelium Jesu Christi verkündet und sie eben „alles halten lehrt, was Ich euch geboten habe“ (Mt 28,20). Denn es ist heute alles andere als leicht, den verschiedenartigsten Irrtümern des Liberalismus, Modernismus, Ökumenismus und des praktischen Atheismus, womit ja die moderne Welt geradezu epidemiemäßig verseucht ist, zu widerstehen, in unverbrüchlicher Treue zu den heiligen Überlieferungen der katholischen Kirche und den unverfälschten Glaubensdogmen des kirchlichen Lehramtes zu stehen und diese katholischen Glaubensgrundsätze auch noch freimütig nach außen zu vertreten!

Und man muss ja dann ebenfalls bereit sein, um der Wahrheit Jesu Christi willen auch die bisweilen sogar bitteren Konsequenzen dieses vor allem von einem Priester zu praktizierenden Widerspruchs zum modernen Zeitgeist und zur unchristlichen Mentalität des billigen Konformismus zu tragen. (Denn eine jegliche Art der unzulässigen Anbiederung an die Mächtigen, Reichen und Einflussreichen stellte schon immer den Beginn des geistigen Ruins des betreffenden Klerus dar.) Wenn man in den heutigen westlichen Gesellschaften um seines katholischen Glaubens willen zur Zeit auch nicht ins Gefängnis kommt oder sogar um sein Leben bangen muss, so darf man trotzdem nicht in naiver Weise übersehen, dass wir es hier mit einer Art geistiger Verfolgung des wahren christlich-katholischen Glaubens zu tun haben.

Werden denn die glaubenstreuen Katholiken nicht von der „Konzilskirche“ aus den Kirchen gejagt, von den Zeitgenossen ausgelacht und verspottet, von der offiziellen Propagandamaschinerie für rückständig erklärt und als geradezu menschenfeindlich beschimpft und somit ihres guten Rufes beraubt? Und müssen heute denn nicht gerade die Priester vom Verlust bzw. Entzug ihrer finanziellen Lebensgrundlage ausgehen, wobei doch die modernistischen Irrlehrer der Gegenwart seelenruhig und finanziell unbekümmert ihr verderbliches Gedankengut unter die Menschen bringen dürfen? Ja, ein jeder Priester sollte wissen, was ihn in der Regel erwartet und worauf er sich einstellen sollte, wenn er den Weg der unbedingten Treue zum überlieferten Glauben und zur katholischen Kirche gehen will.

Auch ist gegenwärtig vor allem für den Klerus die Versuchung keinesfalls zu unterschätzen, sein Leben insofern etwas „angenehmer“ zu gestalten, dass man entweder einiges nicht genau genug nimmt oder beim anderen so tut, als wäre es nicht gesagt worden oder als hätte man es nicht gehört, wie es ja so manche Gemeinschaften und Priesterbruderschaften zu tun pflegen, die sich zwar mit viel emotionsgeladener Rhetorik als „konservativ“ bezeichnen, aber dennoch den einen oder anderen faulen Kompromiss mit der „Konzilskirche“ schließen oder sich der notwendigen Kritik z.B. am „neuen Papst“, Benedikt XVI., enthalten! Wenn aber ein Priester oder eine klerikale Gemeinschaft nicht mit letzter Konsequenz für die katholische Wahrheit einsteht, sondern eher ihre eigenen partikularen Interessen in den Vordergrund schiebt, dann schließen sie zwar auf eine etwas andere Weise, aber dennoch ebenfalls einen unzulässigen Handel mit der heute gängigen Meinung ab und widersprechen somit ihrem Auftrag, letztendlich einzig und allein für die Wahrheit Christi einzutreten und ihr allein zu dienen!

Zu den Aufgaben eines katholischen Priesters gehört auch, heute vielleicht noch mehr als früher darauf zu achten, dass unseriösen, schismatischen oder sogar eindeutig häretischen Gemeinschaften nicht gestattet wird, auf so genannten Schleichwegen Einzug in ursprünglich katholische Gemeinden zu feiern, die die gegenwärtige Sedisvakanz des Apostolischen Stuhles vertreten. Denn es gibt heute nicht wenige Kleriker, die gegen klare kirchliche Bestimmungen verstoßend sich entweder von eindeutigen Häretikern oder Schismatikern weihen ließen oder selbst Häresie oder Schisma anhangen oder/und teilweise sogar völlig abwegigen theologischen Ideen nachlaufen und in diesem Zusammenhang auch abwegigste Experimente z.B. nach der Art „mystischer“ oder anderweitig unseriöser „Papstwahlen“ veranstalten, sich aber dennoch, das Fehlen geordneter jurisdiktioneller Strukturen ausnutzend, als konservativ-katholische Priester und Bischöfe ausgeben ...und dann von so manchen Katholiken wider alle theologische Vernunft und Logik auch tatsächlich für solche gehalten werden.

Nein, es muss den Gläubigen nach wie vor klar gemacht und eingeschärft werden, dass wir ebenfalls weder eine Verbrüderung mit den einzelnen Sekten noch mit dem Sektenwesen als solchem zulassen dürfen und unbedingt auf Einhaltung katholischer Prinzipien pochen müssen, auch wenn dies so manche Unruhe auslösen und uns auch persönlich sogar viel Ärger einbringen sollte. Denn sonst würden wir ebenfalls nicht im Dienst der katholischen Kirche stehen, sondern unseren kirchlichen Status verlieren und schlussendlich selbst ins Sektierertum abrutschen.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der Priester heute viel an festem Charakter und stabilem Rückgrat braucht, um sich bei so manchen Fragen und Problemen der gegenwärtigen Kirche nicht vor dem privat-unzulänglichen Dafürhalten einiger (theologisch bisweilen ziemlich unzureichend gebildeter) Personen aus der Laienschaft zu beugen. Nein, Dienst an den Gläubigen bedeutet nicht, kirchliche Prinzipien missachten und so manchen Personen oder Kreisen in unkritischer Weise willfährig sein zu dürfen. Denn sonst würden sowohl grundsätzliche kirchliche Strukturen aufgegeben als auch die gebotene Unabhängigkeit des katholischen Klerus beseitigt werden! Auch ein Laie soll in Demut wissen, was sein Bereich ist, und sich eben nicht in die Verantwortung eines Priesters einmischen.

Ja, erhaben ist die priesterliche Weihewürde, heilig der Bereich, in welchem sie von Jesus Christus angesiedelt wurde. Der katholische Priester soll Gott zur Ehre das wahre Versöhnungsopfer darbringen und vor Seinem Angesicht fürbittend für die Menschen eintreten. Er soll sich ganzheitlich stark machen für die göttlich offenbarte Wahrheit und den Gläubigen das von Christus am Kreuzesholz erworbene Heil vermitteln.

Da aber ein Priester auch nur ein schwaches und zur Sünde neigendes Geschöpf ist, bedarf er vieler Gebetsunterstützung seitens der Gläubigen, um seiner hehren Aufgabe gerecht zu werden. Der Priester ist kein Übermensch, der etwa alles mit Links schaffen könnte. Er befindet sich ebenfalls gelegentlich in geistiger Not oder bangt vor der Schwere der Aufgabe, die sich vor seinen Augen auftut. Beten wir daher fleißig für unsere Seelsorger und erflehen wir für sie vom Himmel jegliche Gnadenunterstützung, derer sie bedürfen. Sie sind wirklich auf das Gebet der Gläubigen angewiesen!

Weil es uns allen ja auch bekannt ist, dass die heutigen katholischen Priester, die sich nicht auf die eine oder andere Weise vor der „Konzilskirche“ und dem von ihr vertretenen liberal-freimaurerischen (Un)geist beugen, im Unterschied zu deren Klerus keine finanzielle Unterstützung seitens staatlicher Einrichtungen erhalten, sollen wir es als unsere Pflicht als katholische Christen ansehen, diesen glaubenstreuen Priestern und Bischöfen auch finanziell zur Seite zu stehen und sowohl zur Bestreitung deren eigenen Lebensunterhaltes als auch der Deckung jener Ausgaben beizutragen, die sich aus ihrer pastoralen Arbeit ergeben. Denn wer dem Altar dient, soll ja auch bekanntlich vom Altar leben (können)!

Aber sehen wir ihnen bitte auch so manche persönliche Unzulänglichkeit nach, sollten wir damit konfrontiert werden. Denn die priesterliche Würde macht deren Träger nicht automatisch heilig. Und auch wird ein jeder vernünftige Priester immer dankbar sein für zweckdienliche Hinweise und kritische Anmerkungen, wenn sie von den Gläubigen nur im richtigen Ton und in sachlicher Gesinnung angebracht werden.

Und erst dann, wenn der Priester alle seine Aufgaben und Pflichten wenigstens einigermaßen richtig und gottwohlgefällig verrichtet und auch so manche vielleicht sogar große Opfer in edler pastoraler Gesinnung erbracht hat, dann hat er vielleicht etwas „erreicht“, wenn man überhaupt davon sprechen darf und soll. Jedenfalls darf er sich seine Leistungen niemals zu Kopf steigen lassen und eingebildet werden. Leitet ja uns Jesus ausdrücklich zur Bescheidenheit des Denkens und der Demut des Herzens an: „So sollt auch ihr, wenn ihr alles getan habt, was man euch aufgetragen, denken: Wir sind arme Knechte, wir haben nur unsere Schuldigkeit getan“ (Lk 17,10). Soll es ja ihm letztendlich darum gehen, Gott die Ehre zu geben und den Menschen Sein unerschaffenes Gnadenlicht zu vermitteln, zu welchem Zweck ja von Ihm das Weihepriestertum gestiftet und den Berufenen übertragen wurde!

P. Eugen Rissling


 

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