Über die Bedeutung
der Kirche in der Weitergabe des Glaubens
(Aus dem Vortrag von S.E. Bischof Mark A. Pivarunas zum Thema „Moderner
Ökumenismus als Preisgabe der von Gott geoffenbarten Religion“ auf der
Fatima-Konferenz, Spokane, Washington am 07.10.2005)
Wir haben auf dieser Konferenz zwar schon oft über das Thema Ökumenismus
gesprochen. Aber nichtsdestoweniger treten jedes Jahr Ereignisse auf, die
neu sind, die in moralischer Hinsicht alarmieren und betroffen machen. Und
es ist gut für uns, unser Augenmerk auf diesen fundamentalen Irrtum zu
richten, welcher die Kirche verwüstet.
Zuerst möchte ich mit einer Geschichte beginnen, welche parallel-analog auf
die Kirche zu übertragen ist. Als ich in die zweite Schulklasse ging, so
erinnere ich mich, wie unsere Lehrerin manchmal eine Kaffeepause gemacht
hatte. Und sie sagte uns an der Tür, bevor sie hinausging, wir sollten
(während ihrer Abwesenheit) nicht reden, wir hätten ja genug zu lernen. Aber
nachdem sie das Klassenzimmer verlassen hatte, begannen alle Buben und
Mädchen miteinander zu plappern - es entstand eine Art Anarchie!
Und ich erinnere mich, dass es immer lauter und lauter wurde. Aber als die
Lehrerin dann wieder das Klassenzimmer betrat, wurde es still und alle
fingen an zu arbeiten.
Lassen Sie uns nachdenken, was passiert, wenn ein Lehrer nicht im
Klassenzimmer ist. Es werden Sachen veranstaltet, die zu tun man in seiner
Gegenwart nie wagen würde.
Und was würden die Eltern denken, wenn sie von ihren Söhnen und Töchtern am
ersten Tag des Schuljahres auf die Frage, wie es denn heute in der Schule
gewesen sei, hören würden, die Lehrerin habe das Klassenzimmer betreten, die
Bücher ausgeteilt und, bevor sie das Klassenzimmer wieder verlassen hätte,
gesagt: „Jungen und Mädchen, ich sehe euch wieder (das nächste Mal) am
letzten Schultag“? Aber sie hätte zu uns gesprochen, wir sollten die Bücher
studieren und deren Inhalt allein verstehen.
Da würden die Eltern wohl denken, was ist denn das für eine Schule, was ist
denn das für eine Lernmethode. Und auch Sie würden verwirrt sein und sich
fragen, wie denn jemand in einer solchen Schulklasse lernen kann.
Ja, es gibt Kinder, die fleißig sind. Sie öffnen ein Buch, lesen es und
lernen. Sie tun dies, weil sie eben lernen wollen. Aber ich denke nicht,
dass solche Kinder eine Mehrheit darstellen. Denn es gibt (auch) Kinder mit
durchschnittlicher Fassungsgabe, welche zwar versuchen, sich den Lehrstoff
anzueignen. Sie mögen zwar einiges davon lernen (und verstehen), aber eben
nicht alles. Und wahrscheinlich fragen sie sich auch oft: was will denn mir
dieser Lehrstoff sagen, ich verstehe ihn nicht, ich habe keinen, der es mir
erklären könnte.
Und nicht nur ein durchschnittliches Kind lernt auf diese Weise nicht viel,
auch ein geschicktes Kind kann manches falsch verstehen. Und es ist für
jemand, der etwas falsches lernt, nicht leicht zu erkennen, was falsch und
was richtig ist.
Ich zum Beispiel lernte spät, Golf zu spielen. Und wenn ich einen
Golfschläger in die Hand bekomme, halte ich ihn wie einen Baseballschläger!
Weil ich eben ursprünglich gelernt hatte, einen Schläger (immer) auf die
Weise eines Baseballschlägers in der Hand zu halten.
Und solches geschieht, wenn die Kinder in der Schule beim Lernen auf sich
allein gelassen werden. Es gibt eben eine Reihe von Kindern, die langsam
lernen. Sie öffnen ein Buch und sagen: ich verstehe nicht einmal etwas
davon. Und sie würden auch nichts lernen. Aber solches würde geschehen, wenn
es keine Lehrer im Klassenzimmer gibt!
In der Gegenwart gibt es Menschen, die denken, es gäbe Christus, der als
göttlicher Erlöser in diese Welt kam, am Kreuz starb ...und dann gäbe es
noch die Bibel. Sie überspringen die ganze Geschichte und alle Ereignisse,
die stattfanden. Sie seien halt Bibel-Christen und glaubten an das Buch. Sie
bräuchten keine Kirche, keinen Papst, keine Bischöfe, keine Priester, die
einem sagten, was die Bibel an Aussagen enthält. Sie würden es halt selbst
verstehen.
Sie berücksichtigen nicht die historischen Ereignisse, die sich nach der
Auffahrt Christi in den Himmel zutrugen. Christus hat kein Buch geschrieben.
An keiner Stelle hat Christus den Aposteln gesagt: Schreibt ein Buch,
verbreitet es unter so vielen Menschen, wie ihr könnt, ...und lasst sie
dessen Inhalt selbst verstehen. Unser Herr hat solches nie gesagt!
Und wir wissen ebenfalls, dass die meisten der Apostel (kein Buch) verfasst
haben. Einige der Apostel haben (ein solches) geschrieben, die meisten aber
nicht. Aber sie haben ständig das Gebot Christi erfüllt. Und dieses Gebot
war zu gehen, um die Völker zu lehren.
Es ist wahr, dass ein Lehrer, wenn er Unterricht erteilt, auch ein Buch hat.
Das Buch ist hilfreich, es kann eine sehr große Hilfe sein. Nachdem der
Lehrer den Lehrstoff erklärt hat, können die Schüler diesen im Buch
nachlesen. Aber diese Erklärungen (des Lehrers) sind sehr wichtig, damit die
Schüler nicht missverstehen, was im Buch geschrieben steht. Und dies ist der
Grund, warum unser Herr eine lehrende Kirche gestiftet hat! Das
Kirchenkonzept der Protestanten dagegen ist komplett verschieden.
Erinnern wir uns daran, dass die protestantische Vorstellung von der Bibel
ohne Kirche in jedem Fall nicht von der Zeit an gelten kann, als Jesus um
ca. 33 nach Chr. in den Himmel auffuhr. Also ungefähr 350 Jahre lang bis
382. Warum? Das Neue Testament musste ja erst geschrieben und
zusammengestellt werden!
Augenfällig hat die öffentliche göttliche Offenbarung mit dem Tod des
letzten Apostels und Evangelisten aufgehört. Aber jene Bücher des Matthäus,
Markus, Lukas und Johannes, die vier Evangelien, samt der übrigen Briefe
wurden individuell geschrieben - zu verschiedenen Zeiten und an
verschiedenen Orten. Und erst Papst Damasus hat 382 diese Bücher zum Neuen
Testament zusammengefasst. In den ersten 350 Jahren hatten also die meisten,
wenn nicht sogar alle Menschen kein vollständiges Neues Testament, wie es
uns heute vorliegt.
Es ist ebenfalls interessant, dass vom Jahre 382 an bis ins 15. Jahrhundert
hinein die meisten Menschen kein Bibelexemplar besassen, weil es eben keine
Druckerpressen gab, und die Bibeln von Hand abgeschrieben werden mussten.
Denken wir auch besonders daran, wie viel Zeit das Abschreiben einer Bibel
kostete. Und es gab auch viele Menschen, die Analphabeten waren und somit
nicht lesen konnten.
Wie konnten sie erfahren, was Jesus gelehrt hatte? Wie konnten sie vom Leben
Christi vernehmen? Weil eben Jesus eine lehrende Kirche gestiftet hat!
Erinnern wir uns daran, wenn wir über die lehrende Kirche sprechen, dass
Christus den Aposteln den Auftrag gab, sie sollen alle Völker lehren, sie
alles lehren, was Er ihnen geboten hatte. Wir lesen dies im
Matthäusevangelium 28,12, kurz bevor Er in den Himmel auffuhr. Unser Herr
hat auch im Markusevangelium gesagt: „Wer glaubt und sich taufen lässt, wird
gerettet werden; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden“ (Mk 16,16). Es
ist dies der Auftrag des Herrn - Er gründete eine lehrende Kirche!
Wenn wir auf diese lehrende Kirche schauen, auf das, was wirklich stattfand,
sehen wir, dass unser Herr in der Kirche Lehrer aufstellte. Er errichtete im
hl. Petrus die höchste Gewalt innerhalb der Kirche. „Du bist Petrus. Und auf
diesen Felsen will Ich Meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden
sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreiches geben.
Was immer du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und
was immer du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.“ (Mt
16,18f.)
Und an einer anderen Stelle, bevor unser Herr nach der Auferstehung in den
Himmel auffuhr, sprach Er zu Petrus: Petrus, liebst du Mich? Und Petrus
sprach zu Jesus: Herr, Du weißt, dass ich Dich liebe. Er sagte: Weide Meine
Lämmer! Und beim zweiten Mal sprach Er: Weide Meine Lämmer! Und dann beim
dritten Mal: Weide Meine Schafe! (Vgl. Joh 21,15-17.)
Was ist die geschichtliche Realität dessen, was Christus tat? Petrus, das
Haupt der Apostel, ging von Jerusalem nach Antiochien, von Antiochien nach
Rom. Und in Rom leitete Petrus die Kirche. Und als Petrus starb, hatte er
Nachfolger in dieser Position als Haupt der Kirche. Und es entstand das
Papsttum. Der Papst ist „Papa“ - Vater.
Es ist ebenfalls interessant, wenn wir an die Analogie mit der Schule
denken, dass es in der Schule neben den Lehrern auch noch einen Schulleiter
gibt. Und der Schulleiter hat die Oberaufsicht über alles - über die Lehrer
und die ganze Schule.
Vielleicht ist dies kein vollkommener Vergleich, aber auf eine Weise
erinnert er uns, dass Christus nicht nur am Kreuz starb und zu den Aposteln
etwa sprach: Schreibt ein Buch, breitet es unter so vielen Leuten aus, wie
ihr könnt, und lässt sie es selbst ausdenken, was es enthält ...und Ich
würde das zweite Mal wiederkehren. Nein, das ist nicht, was Christus tat.
Wir glauben, dass die Heilige Schrift das Wort Gottes ist. Wenn wir die
heilige Messe feiern, erweisen wir dem Evangelienbuch die höchste Verehrung.
Wir küssen es immer an jener Stelle, an welcher das Tagesevangelium steht.
Beim (feierlichen) Hochamt wird das Evangelienbuch auch beweihräuchert.
Es ist festzustellen, dass die Heilige Schrift in der Tat das Wort Gottes
ist. Aber wir wissen ebenfalls, dass es außer der Heiligen Schrift auch die
heilige Tradition gibt. Das sind jene Lehren, welche die Apostel (sozusagen)
mit den Worten ihres Mundes sprachen, und die der Nachwelt überliefert
wurden! Die Heilige Schrift und die Tradition verbunden ergeben zusammen,
was wir göttliche Offenbarung nennen!
Ich möchte einen Punkt klären, welchen ich im Hinblick auf die Heilige
Schrift erwähnte. Die Schriften des Neuen Testamentes wurden zwischen 33 und
382 an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten geschrieben und von
Papst Damasus zusammengestellt. Aber erinnern wir uns daran, dass damals
auch falsche Bücher im Umlauf waren, die so genannten Apokryphen - nicht
authentisch, nicht Teil der göttlichen Offenbarung, nicht von den Aposteln
oder den Evangelisten verfasst. Und Papst Damasus schied diese aus und
sagte, diese Bücher gehörten nicht zum Kanon der Heiligen Schrift!
Wie konnte aber Papst Damasus wissen, welche Bücher authentisch und welche
Bücher Apokryphen seien? Er wandte sich der Tradition zu und las in den
Schriften der frühesten christlichen Schriftsteller, der Apologeten, welche
das Christentum, den Glauben verteidigten und unmittelbar auf die Apostel
folgten. Deren Schriften enthalten eine Menge von Stellen aus dem Matthäus-,
Markus-, Lukas-, Johannesevangelium, aus der Apostelgeschichte usw. (Und er
konnte dann feststellen, welche der Schriften inhaltlich mit der Tradition,
mit der Glaubensüberlieferung dieser ersten Generationen von Christen
übereinstimmen und welche eben nicht!) So machte er dann eine kanonische
Liste: diese sind die authentischen Schriften (des Neuen Testamentes), die
anderen dagegen nicht.
(Auszugsweise Übersetzung aus dem englisch Gesprochenen von P. Eugen
Rissling)
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