Der Missionsauftrag 


“Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. So geht denn hin und macht alle Völker zu Jüngern, indem ihr sie tauft auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und sie alles halten lehrt, was Ich euch geboten habe” (Mt 28, 18-20). 


Diese Worte werden uns im Evangelium nach Matthäus als Letztes überliefert, was Jesus (vor Seiner Himmelfahrt) Seinen Jüngern aufgetragen hatte. Und sie stellen für die modernen Ohren ein großes Ärgernis dar. Denn hier erhebt jemand einen Anspruch, und zwar nicht irgendeinen, sondern den Absolutheitsanspruch! Unterstrichen wird dieser Anspruch durch die Worte, die unser Herr beim Missionsbefehl im Evangelium nach Markus gesprochen hatte: “Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet werden; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden” (Mk 16,16). Das Evangelium ist eindeutig, es bleibt kein Raum für irgendwelche (spitzfindige) theologische Interpretationen. 

Unsere sogenannte “aufgeklärte” Welt hat “Gleichheit, Brüderlichkeit, Selbstbestimmungsrecht” usw. auf ihre Fahnen geschrieben. Jeder Mensch könne mit seinem Leben machen, was er nach seinem eigenen Gutdünken (!) für richtig hält, da dürfe ihm ja niemand irgendwie hineinreden. In dieses liberale Menschen- und Weltbild paßt der absolute und bedingungslose Anspruch Jesu Christi auf den Glauben bzw. Gehorsam Ihm gegenüber überhaupt nicht hinein. Was die katholische Kirche lehrt, sei dunkles Mittelalter, das den Menschen ausbeute und ihn nicht zur freien Entfaltung seiner Natur kommen lasse.

Außerdem habe man ja gerade im Namen des eingangs zitierten Auftrages Christi viel Unrecht den Völkern angetan, indem man sie ihrer eigenen Kultur und Freiheit beraubt hätte. In dieses Horn blasen leider auch viele Christen, d. h. Menschen, die sich offiziell zum Glauben an Jesus Christus bekennen. Den Widerspruch zur Lehre des Evangeliums wenigstens erahnend versuchen sie sich mit der Behauptung zu helfen, der traditionell verstandene Missionsbefehl würde nicht das biblische Bild eines liebenden und gütigen Vaters wiedergeben; sicher seien die entsprechenden Worte des Evangeliums ein späterer Einschub der Gemeinden gewesen . Was infolgedessen von vermeintlichen Christen als christlicher Glaube von sich gegeben wird, stellt oft sogar eine glatte Verkehrung der Worte Jesu Christi, wie sie uns in den Schriften des Neuen Testaments durch die katholische Kirche überliefert wurden, dar.

Ja, leider gab es im Laufe der Geschichte viel zu oft sogar groben Mißbrauch der christlichen Lehren durch vermeintliche Christen. Das müssen wir um der Wahrheit willen auch zugeben und verurteilen. Nur fällt uns auf, daß die Vorkämpfer des liberalistischen Weltbildes zu Unrecht nur von den negativen Seiten der Kirchengeschichte ausgehen. Dadurch werden sie aber dem christlichen Glauben und der katholischen Kirche selbst nicht gerecht. Das Christentum ist - wie auch jeder andere Gegenstand - von seiner positiven Aussage her zu beurteilen, d. h. von dem, wie es seine Lehren begründet und rechtfertigt! Der Mißbrauch der christlichen Lehren - selbst wenn er von der höchsten (menschlichen) Autorität her gepredigt werden sollte - erlaubt uns berechtigterweise noch nicht, Rückschlüsse auf die angebliche Falschheit der Lehren Jesu Christi selbst zu ziehen! 

Beim christlichen Glauben geht es nicht bloß um eine Lehre oder Weltanschauung als theoretisches Gebilde. Er stellt nicht den Versuch dar, Gott und die Welt intellektuell zu erklären. Auch will er nicht als eine der zahlreichen und verschiedenartigsten Religionen verstanden werden. Die christliche Offenbarung betrachtet sich als die einzig wahre Religion, die eine konkrete Beziehung mit dem lebendigen Gott eingehen läßt! 


Der Beginn des 1. Johannesbriefes gibt uns genug Aufschluß darüber, worum es im christlichen Glauben geht: “Was von Anfang an war, was wir gehört und mit eigenen Augen gesehen, was wir geschaut und mit unseren Händen betastet haben: ich meine das Wort des Lebens, das verkündigen wir euch. - Das Leben ist sichtbar erschienen. Wir haben es gesehen. Wir bezeugen und verkünden euch das ewige Leben , das beim Vater war und uns sichtbar erschienen ist” (1 Joh 1,1f.). 

Wie deutlich erkennbar, geht es hier nicht um irgendein theoretisches System, dem die Menschen aus irgendeinem Grund den Vorzug geben sollten, sondern einzig und allein um die Person Jesu Christi! Und der Glaube an Jesus wird wohlgemerkt nicht verlangt, allein weil Er es etwa so angeordnet hätte, oder weil Er ein großer Religionsstifter gewesen wäre o. ä. Der Grund des Glaubens an Jesus Christus liegt darin, daß Er “das Leben, das ewige Leben” ist! Bezeichnenderweise ist hier die Rede vom “Leben” schlechthin. Jesus hat nicht nur irgendwie Anteil am Leben Gottes, Er ist dieses “ewige Leben” wesensmäßig! Man kann sagen, außerhalb Seiner gibt es kein anderes göttliches Leben (mehr).

Dieses ewige göttliche Leben war verborgen - es war “beim Vater”, - und ist nun den Menschen “sichtbar erschienen”. Mit anderen Worten: Gott hat sich in Seiner ewigen Güte den Menschen (in Seinem Sohn) geoffenbart, um sie Seines göttlichen Lebens teilhaftig werden zu lassen! Damit sprechen wir das Wesentliche des Glaubens an. Halten wir diese Aussagen des Evangeliums bei der Behandlung unseres heutigen Themas ständig vor Augen, denn sonst können wir den Missionsbefehl Christi nicht richtig verstehen. 

Wenn die Kirche nun den Auftrag erhält, allen Völkern den Glauben an den Gottessohn zu überbringen, dann soll sie durch ihre Missionstätigkeit nichts anderes tun, als eben dieses göttliche “Leben”, Jesus Christus, vermitteln! Das Ziel der Mission ist nicht zu erreichen, daß die Zahl jener Personen zunimmt, die (offiziell) zu Christen beigezählt werden. Auch sollen sich die Menschen nicht zum Christentum bekennen, z. B. nach der Art einer Stimmabgabe für eine der politischen Parteien oder Programme. Nein, es geht letztendlich darum, möglichst allen Menschen (“macht alle Völker zu Jüngern”) “das ewige Leben” zu vermitteln, daß sie Anteil am Leben Gottes erhalten! Dieser Gedankengang bildet ebenfalls den Hintergrund jener Worte, die den Missionsauftrag zum Ausdruck bringen: “geht hin und macht alle Völker zu Jüngern, indem ihr sie tauft”. Die Jüngerschaft, das Jüngersein ist somit nicht begründet (allein) im verbalen Bekenntnis des Glaubens an Jesus Christus, sondern in der Taufe auf den Namen des dreieinigen Gottes: in der tatsächlichen und wirksamen Erneuerung des Menschen in Gott, in der realen Anteilnahme am Leben Gottes! Das Jüngersein entsteht nicht undefiniert, beziehungslos, oder irgendwie mystisch-geistig, die Gnadenmitteilung durch die Hl. Taufe und die anderen Sakramente schafft erst bzw. vertieft und bereichert die neutestamentarische Jüngerschaft , die allerdings auch gelebt werden will! 

“Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es im Überfluß haben” (Joh 10,10). Das muß das einzige Ziel und das letzte Interesse der Kirche und ihrer Missionstätigkeit sein! Sollten Glieder der Kirche allein deren Ruhm und Ansehen suchen, haben sie offensichtlich den Sinn der christlichen Mission nicht richtig erfaßt, denn Jesus Christus (als die Offenbarung des Vaters) ist das Zentrum der Religion! Der Mißbrauch des Missionsauftrages Christi z. B. für Zwecke der Bereicherung, der persönlichen Profilierung oder aus reinem Machtstreben stellen schlimme und folgenschwere Entgleisungen dar. 


Der bewußte und willentliche Verzicht auf die christliche Mission hat - sachlich betrachtet - noch katastrophalere Folgen. Wenn in der heutigen Zeit im Namen der viel gepriesenen Religionsfreiheit (etwas anderes ist die Toleranz!) und der angeblichen Menschenfreundlichkeit die Gleichmacherei aller Konfessionen und sogar aller Religionen auch von der sog. “katholischen” Amtskirche massiv betrieben wird ( wofür es mehr als genug Hinweise und Beweise gibt, worauf an dieser Stelle nur hingewiesen wird ), dann schneidet man die nichtchristlichen Völker gänzlich von der Möglichkeit ab, an der von Christus vollbrachten Erlösung, an Seinem göttlichen “Leben” Anteil zu bekommen! Der Verzicht auf die christliche Mission stellt somit - religiös gesehen - eines der größten Verbrechen dar, das begangen werden kann! Das Festhalten an der Mission (im eigentlichen biblischen Sinn) und die Betonung deren Notwendigkeit sind kein Ausdruck von Starrsinn, Besserwisserei oder Arroganz, wie es gelegentlich in den Medien dargestellt wird. Nein, diese Haltung sollte eine Folge der intensiven religiösen Bemühung eines Christen sein, wodurch er zur Erkenntnis kommt, daß Jesus Christus “die Auferstehung und das Leben” ist. “Wer an Mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt; und jeder, der im Glauben an Mich lebt, wird niemals sterben” (Joh 11,25 f.)!


P. Eugen Rissling



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