Der Weg zur Krippe oder die drei Weisen aus dem Morgenland

In der frühen Christenheit erfreute sich das Fest der Erscheinung des Herrn, im Volksmund Dreikönig genannt, in der katholischen Kirche, mindestens desselben Ansehens wie das hochheilige Weihnachtsfest selbst. Und der Grund hierfür liegt darin, dass an Dreikönig „Weise aus dem Morgenland“ (Mt 2,1) zur Krippe des Herrn pilgerten, und dass sich das Jesuskind somit auch den so genannten Heidenvölkern, dem ganzen Erdkreis, als Heiland und Erlöser offenbarte. Daher auch der offizielle Name dieses Festes: In Epiphania Domini - Erscheinung des Herrn!

Betrachten wir also die Geschichte dieser Männer und beherzigen ihr Verhalten. Denn es ist eine große und bemerkenswerte Leistung, die sie erbracht haben und die auch uns in unserer heutigen Glaubenslage viel zu sagen hat. Es gibt da nämlich erstaunliche Parallelen zur Gegenwart!

„Als Jesus in den Tagen des Königs Herodes zu Bethlehem in Judäa geboren war, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und fragten: ´Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben nämlich seinen Stern im Morgenland gesehen und sind gekommen, Ihm zu huldigen.´“ (Mt 2,1f.) Wegen der Dreizahl der Geschenke, welche diese Männer Christus zur Krippe nach Bethlehem mitbrachten („Gold, Weihrauch und Myrrhe“ - Mt 2,11), schließt man in der Tradition auch auf die Dreizahl der Weisen selbst. Jedenfalls geht man auch in der christlichen Kunst ganz fest von drei der so genannten Könige aus.

Sie werden im Evangelium als „aus dem Morgenland“ kommend bezeichnet, worunter sowohl Arabien als auch Babylonien gemeint sein kann. „Weil vorausgesetzt ist, dass die Magier um die messianische Hoffnung Israels wissen, ist es am wahrscheinlichsten, dass der Erzähler an Babylonien dachte. Denn dort hatte sich Israel im Exil aufgehalten.“ (Gnilka, J., Das Matthäusevangelium. Herder 1986, 1. Teil, S.36) Allerdings ist nicht die Frage nach der genauen Abstammung dieser Männer entscheidend, sondern die Feststellung, dass sie Heiden (!) waren. Sie besassen somit weder das mosaische Gesetz noch die Propheten noch waren sie eingehend mit den genauen Verheißungen des künftigen Erlöser im Alten Testament vertraut.

Der Begriff „Magier“ (griech. magoi), mit welchem sie im Evangelium bezeichnet werden, lässt darauf schließen, dass sie sich wohl mit so manchen Künsten und Wissenschaften der damaligen Zeit beschäftigten. Jedenfalls haben sie „einen Stern im Morgenland gesehen“, woraus sie auf die Geburt einer ganz besonderen Geschichtspersönlichkeit schlossen. Es ist für uns relativ belanglos zu wissen, wie genau diese Magier zur besagten Schlussfolgerung kamen. Wichtig ist in unserem Zusammenhang nur, dass sie die Sternerscheinung als Wille Gottes begriffen, der sie rief, dem „neugeborenen König der Juden“ zu huldigen.

Nun stellen wir uns die konkrete Situation vor, in welcher sie sich befanden. Sie erblicken am Himmelsfirmament einen neuen Stern (ob gemeinsam oder auch unabhängig voneinander), schlussfolgern daraus (offenkundig auf göttliche Eingebung hin!), es müsse sich dabei (wegen des anzunehmenden wagen Wissens um die messianische Erwartung Israels) wohl um eine neue Führungspersönlichkeit Israels handeln und entscheiden sich auch tatsächlich, sich auf den Weg zu machen!

Es darf vermutet werden, dass sie von so manchem ihrer Volksgenossen wenigstens hinter der vorgehaltenen Hand belächelt oder vielleicht sogar richtig ausgelacht wurden. Denn sie konnten ihren Familienangehörigen, Nachbarn und Stammesgenossen weder den genauen Grund der Reise plausibel erklären noch die Auskunft geben, wohin genau sie reisen und wen genau sie dort treffen wollten. Alles, was sie hatten und worauf sie sich stützten, war das Aufleuchten eines neuen und wohl sehr hell strahlenden Sterns auf dem nächtlichen Himmel ...und das mit dieser Erscheinung offensichtlich verbundene Wahrnehmen des ganz bestimmten Rufes Gottes (!), sich auf den Weg zu machen. Und worauf es ankam: sie leisteten diesem Ruf auch tatsächlich Folge!

Es wird hier einmal mehr deutlich, dass die in der hl. Schrift berichteten geschichtlichen Ereignisse weniger von der Seite der Naturwissenschaften oder der einseitigen menschlichen Logik aufgefasst werden sollten, sondern vielmehr mit dem Blick eines Menschen gesehen werden wollen, welcher in rechter und ausgeglichener Glaubenshaltung hinter allen historischen Ereignissen auch und gerade die führende Hand Gottes erblickt!

Da aber der Weg „aus dem Morgenland“ ins Heilige Land weit, lang und beschwerlich war, dürfen wir davon ausgehen, dass den betreffenden Weisen wegen der Schwächen und Unzulänglichkeiten der menschlichen Natur sehr wohl auch Zweifel am Sinn ihres ganzen Unternehmens kamen. Und auch dies brachte sie nicht von der Fortsetzung ihrer Reise ab!

Aber der sprichwörtliche Sinn der ganzen Geschichte um diese Weisen, welche in der Tradition die Namen Kaspar, Melchior und Balthasar erhielten, liegt darin, dass sie am Schluss ihrer langen und beschwerlichen Reise tatsächlich in Bethlehem angekommen sind und das überaus große Privileg erhalten haben, ihre Knie vor der Krippe Jesu Christi, des göttlichen Erlösers, beugen und Ihm aufrichtig huldigen zu dürfen! Sowohl allen äußeren Widrigkeiten als auch inneren Zweifeln zum Trotz haben sie sich von ihrem gottgewollten Vorhaben nicht abbringen lassen, haben jederzeit die jeweils nächsten Schritte ihrer Reise getan und sind dann schlussendlich auch in den Genuss der besagten außergewöhnlichen Gnade gekommen, den lieben Heiland mit eigenen Augen erblicken zu dürfen!

Um das beispielhafte Verhalten dieser so genannten drei Könige noch besser würdigen zu können, lohnt sich in diesem Zusammenhang auch ein Blick auf eine andere Personengruppe, welche ebenfalls an den betreffenden Ereignissen beteiligt war. In der Meinung, der vermeintliche „König der Juden“ würde in der Hauptstadt geboren werden, kommen sie auch nach Jerusalem, in dieses religiöse wie kulturelle Zentrum Israels. Und dort fragen sie auch unerschrocken nach Dem, den sie suchen.

Und wie fiel die Reaktion Jerusalems aus? „Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem. Er versammelte alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und legte ihnen die Frage vor, wo der Messias geboren werden sollte. Die sagten ihm: ´Zu Bethlehem in Judäa. Denn so steht beim Propheten geschrieben: Du, Bethlehem, Land Judas, bist keineswegs die geringste unter Judas Fürstenstädten. Denn aus dir wird hervorgehen ein Fürst, der mein Volk Israel regieren soll.´“ (Mt 2,3-6)

Die Juden kannten sich (im Unterschied zu den Magiern) ganz genau in den Schriften des Alten Testamentes aus. Sie wussten um die Verheißungen des Messias. Denn auch im Volk war die messianische Erwartung stark ausgeprägt gewesen. Und dennoch sind sie (in jedem Fall die führende jüdische Schicht) nicht nur irgendwie leicht überrascht, sondern mit Herodes sogar mit richtigem Schrecken (!) befallen worden, als sie nach dem Messias gefragt wurden.

Zwar waren sie auf Anordnung des Herodes hin in der Lage, in den Schriften eine Stelle zu finden (Michäas 5,2), in welcher die Geburtsstadt des künftigen Messias angesprochen wird, welche Auskunft sie ja auch den fragenden Ankömmlingen erteilten. Aber bezeichnenderweise berichtet uns das Evangelium nicht, dass irgend jemand von den Juden aus Jerusalem (vor allem nicht die Hohenpriester und die Schriftgelehrten!) zur Krippe des Herrn gepilgert seien. Zwar hat man theoretisch die Information besessen, wo der Messias geboren werden sollte, aber man hat es - trotz des großes Aufsehen erregenden Auftritts der Weisen aus dem Morgenland! - nicht für notwendig gehalten, diesem neugeborenen König auch wirklich die eigene Ehre zu erweisen.

Nein, im Gegenteil, Herodes ließ dann etwas später „in Bethlehem und in dessen ganzem Gebiet alle Knaben von zwei Jahren und darunter umbringen, entsprechend der Zeit, die er von den Weisen erforscht hatte“ (Mt 2,16). Und mit großer Berechtigung darf angenommen werden, dass auch „ganz Jerusalem“, wie es der Evangelist umschreibt, mit diesem Verbrechen im Prinzip einverstanden war, denn sonst hätte man sich sehr wohl für den verheißenen und heiß ersehnten Messias eingesetzt!

Angesichts dieses erschreckenden Versagens von „ganz Jerusalem“ muss natürlich auch die Frage gestellt werden, warum man denn in dieser Situation nicht das geringste Interesse für das Kind in der Krippe zu Bethlehem gezeigt hat, warum man nicht für den neugeborenen Sohn Marias eingetreten ist. Man muss sich wirklich vorstellen: Heiden kommen nach Jerusalem und fragen die Juden unter Verweis auf eine wundersame Himmelserscheinung nach dem „König der Juden“. Die „Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes“ bringen ja auch diese Anfrage mit dem von ihnen offiziell heißersehnten Messias in Verbindung, indem sie den morgenländischen Gästen die Auskunft erteilen, Bethlehem sei in den Schriften als dessen Geburtsstadt ausgewiesen. Und statt dass bei ihm nun selbst sämtliche Glocken läuten, versagt „ganz Jerusalem“ bitter jämmerlich! Ja, man staunt nicht wenig und kann es überhaupt nicht fassen, wie leichtfertig Israel in dieser Situation mit seiner eigentlich zentralsten Prophezeiung, der messianischen Verheißung, umgegangen ist!

 Und die Antwort auf die gestellten Fragen nach dem Versagen Jerusalems lässt sich in der grundlegenden Verschiedenheit der Einstellungen Gott und Seinem heiligen Willen gegenüber der Weisen aus dem Morgenland auf der einen und wenigstens der führenden jüdischen Schicht in Jerusalem auf der anderen Seite erblicken.

Die Weisen sind keine Juden, sie besitzen keine Schriften des Alten Testamentes. Zwar wissen sie anscheinend um die messianische Sehnsucht der Israeliten, aber wohl nur sehr wage. Aber sie vernehmen einen neuen Stern auf dem Himmel und interpretieren ihn (unter Einwirkung der göttlichen Gnade) als ein ihnen von Gott gegebenes Zeichen, als einen Aufruf, sich aufzumachen und dem Ruf Gottes ins Land Israel zu folgen. Sie wissen nicht genau, was und wer sie dort erwartet. Und dennoch machen sie sich auf den Weg, überwinden alle äußeren wie inneren Hindernisse und gelangen schlussendlich auch zur Krippe des Herrn: „Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, zog vor ihnen her, bis er schließlich über dem Ort stehenblieb, wo das Kind war. Als sie den Stern sahen, empfanden sie eine überaus große Freude. Sie traten in das Haus und sahen das Kind mit Maria, Seiner Mutter. Sie fielen nieder und huldigten Ihm. Dann taten sie ihre Schätze auf und brachten Ihm Geschenke dar: Gold, Weihrauch und Myrrhe.“ (Mt 2,9-11) Welch` eine Wärme spricht aus diesen Worten, wie reich begnadet müssen sie selbst durch die Begegnung mit Christus gewesen sein!

Und auf der anderen Seite haben wir eine Personengruppe, die eigentlich alle äußeren Voraussetzungen erfüllt, um den verheißenen Heiland zu erkennen und Ihm entgegen zu eilen. Sie geben ja den Fremdlingen sogar noch selbst die ganz konkrete Auskunft, „wo der Messias geboren werden sollte“. Also mangelt es da nicht an (theoretischem) Wissen, also sind diese Leute dann letztendlich auch nicht zu entschuldigen. Denn bezeichnenderweise war niemand von ihnen in Bethlehem an der Krippe des Herrn anzutreffen (obwohl es für sie von der Entfernung her im Vergleich zu den Weisen ein Katzensprung gewesen wäre). Und darauf kommt es schlussendlich an!

Wie ist dies zu erklären? Nun, die „Hohenpriester und Schriftgelehrten“ haben zwar viel von Gott und der Religion geredet - es war ja auch sozusagen ihr Job, das Volk zu lehren und zu führen. Sie gaben sich auch gern als große Experten und als wichtig (vgl. Joh 9,32). Aber sie suchten dabei weniger Gott und Seine Wahrheit als sich selbst und ihr eigenes Ansehen (vgl. Mt 6,2). Dies wurde dann später in den Streitgesprächen Jesu mit ihnen und auch und gerade bei Seinem (Schau-)Prozess überdeutlich, als sie die eigenen Augen vor der offenkundigen Wahrheit verdeckend ein himmelschreiendes Urteil herbei zwangen.

Sie präsentierten somit dem Volk nicht den eigentlichen Willen Gottes, sondern - vom eigenen billigen Machtstreben geleitet - lediglich die eigenwillige, allzu egoistisch interpretierte Version von der göttlichen Offenbarung. Somit blieb aber ihnen der wahre Gott letztendlich verborgen („Freilich habt ihr Seine Stimme nie vernommen, Seine Gestalt nie gesehen und Sein Wort in euch nicht festgehalten, weil ihr ja Dem nicht glaubt, den jener gesandt hat“, Joh 5,36)!

Die Weisen dagegen kamen sozusagen auf Umwegen dazu, von Gott gerufen zu werden. Und sie suchten dann auch mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Kräften sowohl Ihn als auch die unbedingte Erfüllung Seines Willens! (Und keinesfalls beschäftigten sie sich hauptsächlich mit eigenen Befindlichkeiten.) Zwar mussten sie dafür viel an Einsatz bringen, ja sich selbst voll und ganz aufs Spiel setzen. Aber sie wurden dafür auch entsprechend entlohnt, da sie ja am Ziel ihrer Reise beim menschgewordenen Gott angelangten und somit verständlicherweise „eine überaus große Freude empfanden“!

Wir leben heute in einer Welt, die den Namen Christi alles andere als in Ehren hält. Wie unbekannt ist doch der modernen Welt (ja der „Konzilskirche“!) der überlieferte katholische Glaube geworden, wie wenig Verständnis bringt man für die sittlichen Forderungen des Evangeliums bzw. für die entsprechenden Morallehren der katholischen Kirche auf. Ja nicht selten wird man heute belächelt, wenn nicht sogar richtig ausgelacht, wenn man etwa vom Absolutheitsanspruch des Christentums, vom göttlichen Gebot, von der Moral oder der Sünde spricht. Dies alles ist für den modern-liberalen Menschen fremd geworden, es kommt leider nicht (mehr) in seinem inneren Blickwinkel vor!

Geben wir es zu: da werden auch wir bisweilen mit der Versuchung konfrontiert, uns dieser Welt geistig anzupassen, uns ihre Mentalität mehr oder weniger anzueignen, es nicht so genau wie notwendig mit dem (überlieferten katholischen) Glauben und dessen sittlichen Forderungen zu nehmen. Warum denn so entschieden gegen den Strom schwimmen, weshalb sich unbedingt dem scharfen Gegenwind der modernen Gesellschaft aussetzen, weswegen sich deren (selbstgerechten) Unmut zuziehen?

Sich aber diesem Druck zu beugen, dieser Versuchung nachzugeben, bedeutete in der letzten Konsequenz, der Stimme Gottes untreu zu werden, welche auch uns heute ruft, sich in unserer ganz konkreten historischen Situation sowohl um die Erkenntnis auf der einen als auch um die Erfüllung Seines heiligen Willen auf der anderen Seite zu bemühen! Und dabei sollten wir weder dem liberalen Zeitgeist noch dem kirchlichen Modernismus inneres Gehör schenken. Und auch wehren wir uns doch bitte unbedingt dagegen, durch unsere eventuelle Akzeptanz und Kollaboration Schismatiker und Häretiker salonfähig zu machen. Denn dadurch würden wir ebenfalls vom rechten und gottgewollten Weg abirren.

Wenn nicht klar sein sollte, was genau Gott von uns erwartet, dann sollten wir natürlich um die Erkenntnis dieses Seines Willens beten und ringen. Haben wir aber erkannt, was Er von uns (offensichtlich) verlangt, wollen auch wir uns dann im Vertrauen auf Seinen Gnadenbeistand auf den Weg begeben und uns dabei weder durch die verschiedenartigsten Widerwärtigkeiten und Beschwernisse des eingeschlagenen Weges noch durch inneres Zaudern vom guten und gottgewollten Vorhaben abbringen lassen .

Denn nur der, welcher keine faulen Kompromisse schließt und keine unzulässigen Zugeständnisse an den unchristlichen Zeitgeist oder auch an den sich gegenwärtig massiv vollziehenden Glaubensabfall macht, wird nicht irregehen, sondern trotz des langen und beschwerlichen Weges tatsächlich an der Krippe des Herrn angelangen! Mögen uns auf dieser Reise in das geistige Bethlehem auch und gerade die „Weisen aus dem Morgenland“ sowohl als ein gutes und beispielhaftes Vorbild als auch durch ihre wirksame Gebetsfürbitte beistehen!

P. Eugen Rissling

 

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