Vorsicht: „päpstlicher“ Etikettenschwindel!
Seit Beginn der modernistischen „Reformen“ nach dem Tod von Papst Pius XII.
haben ja die katholischen Gläubigen bereits zur Genüge erfahren müssen, welche
äußerste Vorsicht man walten lassen sollte bei der Analyse der neuen Ideen aus
modernistisch-liberalen Schmieden. Denn nicht immer griffen bzw. greifen die
modernistischen Kreise die überlieferte katholische Lehre frontal an, indem sie
z.B. klar gesagt hätten bzw. sagen würden, ihre Ansichten würden dem
überlieferten katholischen Dogma diametral entgegengesetzt sein. Nein, nicht
selten bediente man sich dabei auch des nicht von jedem so schnell und so leicht
zu durchschauenden Tricks, dass zwar dieselbe theologische Terminologie
verwendet wurde, diese aber bewusst mit anderen, neuen Inhalten gefüllt wurde,
um diese dann unter die Leute zu bringen.
So benutzt man heute im postkonziliaren neuen Rom nicht selten Begriffe aus der
katholischen Welt, die zwar genau so klingen, aber dennoch inzwischen andere
Inhalte transportieren (sollen). So redet man neben der „Eucharistiefeier“ noch
immer von der „heiligen Messe“, wenn man die Zeremonie des „Novus Ordo Missae“
meint, obwohl man in der „Konzilskirche“ unter diesem Begriff „heilige Messe“
weitestgehend etwas anderes versteht als die katholische Tradition es tut. So
ist auch „Taufe“ nicht immer Taufe, „Sakrament“ nicht immer Sakrament, „heilige
Ölung“ nicht immer heilige Ölung usw. Lassen wir uns also nicht von den
bisweilen noch katholisch klingenden Begrifflichkeiten täuschen, sondern
hinterfragen wir immer kritisch, was genau damit gemeint sei!
Ein Beispiel für einen solchen eklatanten Etikettenschwindel bieten auch manche
„päpstliche“ Veröffentlichungen der neuzeitlichen „Konzilskirche“. Dies sehen
wir auch an Joseph Ratzinger, der sich seit dem 19. April 2005 „Benedikt XVI.“
nennt. Besonders seit seiner Wahl zum Oberhaupt dieser „Konzilskirche“ sind in
(wirklich!) konservativen katholischen Kreisen schon etliche Veröffentlichungen
erschienen, die so manche der falschen Lehren Ratzingers entsprechend
beleuchten. Wir wollen uns aber hier nur auf eine ganz konkrete Frage
beschränken, die aber wegen ihrer Wichtigkeit unbedingt die Aufmerksamkeit der
Leser gewinnen sollte. Es handelt sich dabei um den Begriff „Opfer“ im
Zusammenhang mit der liturgischen Handlung des Neuen Bundes - die heilige Messe
-, ob und wie nämlich die hl. Messe eine Opferhandlung ist!
Rufen wir uns zunächst die Lehre der katholischen Kirche in Erinnerung, wie sie
exemplarisch durch das Konzil von Trient (1545-1563) verkündet worden ist,
welches sich ja hauptsächlich mit den falschen und verderblichen Thesen des von
Martin Luther initiierten Protestantismus beschäftigte. In der 22. Sitzung wird
nämlich in der „Lehre über das Opfer der Messe“ zunächst ausgeführt (Kapitel 1),
dass „unser Herr und Gott ... ein einziges Mal sich selber auf dem Altar des
Kreuzes mit Eintritt des Todes Gott dem Vater darbringen wollte, damit Er
dortselbst die ewige Erlösung vollziehe“.
Und dieser Jesus Christus „hat, weil doch durch den Tod Sein Priestertum nicht
erloschen sollte, beim Letzten Abendmahle, in welcher Nacht Er überantwortet
wurde, auf dass Er Seiner geliebten Braut, der Kirche, ein sichtbares Opfer, wie
es die Natur des Menschen erheischt, hinterlasse: ein Opfer, wodurch jenes
blutige ein einziges Mal am Kreuz zu vollziehende darstellt, ... dessen
heilbringende Wirkung zur Vergebung der von uns täglich begangenen Sünden
angeeignet werde, sich selber als den auf ewig eingesetzten Priester nach
Ordnung Melchisedechs erklärt, und Seinen Leib und Blut unter den Gestalten des
Brotes und Weines Gott dem Vater dargebracht.“ Und etwas weiter heißt es: „Denn
nach der Feier des alten Osterlammes, welches alle Söhne Israels zum Andenken an
den Auszug aus Ägypten schlachteten, setzte Er sich selber als das neue von der
Kirche durch die Priester unter sichtbaren Zeichen zu opfernde Osterlamm ein.“
Und in Kapitel 2 wird dann ausgeführt: „Und weil in diesem göttlichen Opfer,
welches in der Messe vollbracht wird, eben derselbe Christus enthalten ist und
unblutiger Weise geopfert wird, welcher sich selber auf dem Altar des Kreuzes
ein einziges Mal blutiger Weise aufgeopfert hat, so lehrt die heilige
Versammlung, dass dieses Opfer wahrhaft ein Sühnopfer sei, und durch welches
bewirkt werde, ... dass wir Erbarmen erlangen und Gnade finden wenn Hilfe Not
tut. Durch dieses Opfer nämlich versöhnt, verleiht der Herr Gnade und die Gabe
der Buße, und erlässt Vergehen und Sünden, seien sie auch noch so groß. Denn es
ist ein und dieselbe Opfergabe, derselbe jetzt durch den Dienst der Priester
sich Opfernde, welcher damals sich selbst am Kreuz geopfert hat, indem nur die
Weise der Darbringung verschieden ist. Werden nun, wohlverstanden, die Früchte
jenes blutigen Opfers durch dieses unblutige in reichem Maße angeeignet, so wird
nicht im Entferntesten jenem durch dieses auf irgend eine Weise Eintrag getan.“
(Beschlüsse und Glaubensregeln des hochheiligen Allgemeinen Konzils zu Trient.
Regensburg 1910, S. 110.)
Somit wird hier vom Konzil von Trient in Ablehnung der Häresie Luthers
festgehalten, dass das von katholischen Priestern (als den Inhabern des
Priestertums Jesu Christi) gefeierte Messopfer ein sichtbares Opfer ist, durch
welches das Kreuzesopfer erneuert, indem sich Christus als ein Osterlamm opfert,
und uns die überreichen Gnaden der Erlösung zugewandt werden. Und zwar ist dies
ein wahrhaftiges Sühnopfer, zumal ja auch hier derselbe Jesus Christus die
göttliche Opfergabe ist.
So werden dann auch in den darauffolgenden canones „Über das Opfer der Messe“
die protestantischen Irrtümer namentlich genannt und feierlich verurteilt, wobei
inhaltlich kein Raum für Unklarheiten, Zweideutigkeiten oder spitzfindige
Spekulationen übrig bleibt:
„Canon 1. Wenn jemand sagt, in der Messe werde Gott nicht ein wahres und
eigentliches Opfer dargebracht, oder was geopfert werde, sei nichts anderes, als
dass uns Christus zum Genuss gereicht werde: der sei ausgeschlossen.
Canon 2. Wenn jemand sagt, dass Christus durch die Worte: `Dieses tut zu Meinem
Andenken`, die Apostel nicht zu Priestern eingesetzt habe, oder nicht angeordnet
habe, dass sie und die übrigen Priester seinen Leib und Blut darbringen: der sei
ausgeschlossen.
Canon 3. Wenn jemand sagt, das Messopfer sei nur für Lob und Danksagung, oder
eine einfache Erinnerung an das am Kreuz vollzogene Opfer, nicht aber ein
Sühnopfer; oder es nütze nur dem, der es genießt, und es brauche nicht für
Lebende und Verstorbene, für Sünden, Strafen, Genugtuenden und andere Anliegen
dargebracht zu werden: der sei ausgeschlossen.“ (Ebd., S. 112.)
Dem wollen wir nun die entsprechenden Ansichten eines Joseph Ratzinger
entgegenstellen, wie er sie in einem 1967 in der internationalen
Theologenzeitschrift Concilium erschienenen Aufsatz „Ist die Eucharistie ein
Opfer?“ formuliert hat.
Zunächst, um gleich und sofort zu den wesentlichen Passagen zu kommen, heißt es
da: „Für Luther ist die Messe, d.h. die als Opfer verstandene Eucharistie
Götzendienst, ein Greuel, weil Rückfall hinter die christliche Neuheit ins
pagane Opferwesen; für den Katholiken ist sie die christliche Weise der
gemeinsamen Verherrlichung Gottes durch Christus in der Kirche.
In der Tat ist für Luther der Streit um die Messe nur ein Anwendungsfall des
Grundproblems der Rechtfertigung. [...] Im Letzten gibt es für ihn nur zwei
gegensätzliche Weisen, sich zu Gott zu verhalten: die Weise des Gesetzes und die
Weise des Glaubens. Der Weg des Gesetzes besagt, dass der Mensch von sich aus
Gott zu versöhnen sucht, da er Gott Werke und Leistungen anbietet, womit er ihm
genug tun und sich das Heil verschaffen will. Das Christus-Geschehen, von dem
das Neue Testament Zeugnis ablegt, bedeutet demgegenüber, dass Gott all diesen
letztendlich heillosen Versuchen ein Ende bereitet, dass er von sich aus durch
Christus das Heil schenkt, das der Mensch mit seinen Werken und Opfern doch nie
zu verdienen vermag. So ist aber die Richtung des Glaubens genau umgekehrt als
die des Gesetzes: Sie ist das Empfangen der göttlichen Huld, nicht das
Darbringen von Gaben. Christlicher Kult kann folglich seinem Wesen nach nur
Empfangen, nicht Geben sein; er ist ein danksagendes Entgegennehmen der ein für
alle Mal genügenden Heilstat Gottes in Christus Jesus. Das bedeutet dann
umgekehrt, dass christlicher Kult seinem Wesen nach entstellt, ja, in sein
eigenes Gegenteil verkehrt ist, wenn an die Stelle der Danksagung wieder die
Darbringung tritt.
Denn dann ist das Gesetz wieder an die Stelle der Gnade getreten, das Genügen
der Heilstat Jesu Christi geleugnet und der Mensch wieder zum Versuch der
Selbsterlösung, der Leistung und der Eigenmacht zurückgekehrt. Von hier aus ist
es zu verstehen, dass Luther in dem Gedanken des Messopfers die Leugnung der
Gnade, die Revolte der menschlichen Eigenmacht, den von Paulus mit solcher
Schärfe bekämpften Rückfall aus dem Glauben ins Gesetz erblickte. Das schwere
theologische Gewicht dieser Überlegung ist unmöglich zu verkennen.“
Ja, man traut seinen Augen nicht, wenn man dieses offene und polemische
Eintreten Ratzingers für die Anliegen Luthers liest! Einer der Grundfehler
Luthers bestand ja darin, dass er die Lehre der katholischen Kirche über das
Messopfer offensichtlich nicht richtig verstanden hat und ihr somit etwas
unterstellte, was sie nicht nur niemals lehrte, sondern darüber hinaus auch noch
ausdrücklich ablehnte! Denn die katholische Kirche hat das Messopfer nie so
verstanden, als ob es sich hier um eine rein menschliche Werkgerechtigkeit, um
einen „Versuch der Selbsterlösung“ handelt, als ob die Kirche die hl. Messe nach
der Art paganer Opfer verstanden wissen wollte.
Nein, die Kirche sagt ja ausdrücklich, dass der eigentlich Handelnde während der
sakralen Messopferhandlung Christus (!) ist, der sich hier zu unserem Heil
darbringt. Und weil Luther dies (aus welchen Gründen auch immer) sträflich
missachtete, verlor er sich auch in übelsten polemischen Vorwürfen gegen das
Messopfer und die Kirche, die aber bei objektiver Betrachtung an der
eigentlichen Sache total vorbeigehen. Letztendlich führte er einen „Kampf“ gegen
die Windmühlen, gegen eine selbst inszenierte und imaginierte Fata-Morgana.
Dass der Wittenberger „Reformator“ in seiner Verblendung die Messopferlehre
nicht begriff, ist die eine Seite des Problems. Dass sich nun aber Joseph
Ratzinger dieser primitiven Polemik Luthers bedient, um die entsprechende
genuin-katholische Lehre zu kriminalisieren und schlussendlich auszuhebeln, ist
dagegen in jedem Fall als richtig böswillig und pervers einzustufen. Denn dieser
Mann weiß ohne Zweifel ganz genau, was Inhalt der entsprechenden katholischen
Lehre über das heilige Messopfer ist; ihm muss bewusst sein, dass das, was er
ihr vorwirft, nicht den Realitäten entsprechen kann!
Im folgenden führt der ehemalige Professor Ratzinger aus, „dass Luthers
leidenschaftliche Polemik [...] nicht nur Negationen, sondern auch positive
Entscheidungen enthält, die sich vielleicht in diesen zwei Sätzen formulieren
lassen:
a. Die Heilstat Christi ist das ein für alle Mal genügende Opfer, in dem Gott
uns selber, gegen die Vergeblichkeit unseres Kultes das wahre, versöhnende Opfer
schenkt: Diese große Leitidee des Hebräerbriefes liegt auch den Thesen Luthers
zugrunde.
b. Christlicher Kult kann daher nicht mehr im Darbringen eigener Gaben bestehen,
sondern ist seinem Wesen nach Empfangen der einmal gespendeten Heilstat Jesu
Christi, also Danksagung: Eucharistia.
Man kann nun ohne falsche Apologetik behaupten, dass in diesen beiden Thesen,
recht betrachtet, zugleich ein doppelter Ansatzpunkt für einen eigentlich
christlichen Opferbegriff und für ein theologisch legitimes, im Inneren
neutestamentlichen Glaubens sich vollziehendes Verständnis der Eucharistie als
Opfer verborgen liegt.“
So sehr man die grundsätzliche theologische Aussage von Punkt a. als Katholik
unterschreiben könnte, unterstellt Ratzinger im Punkt b. der kirchlichen Lehre
im Gefolge Luthers Glaubensinhalte, die so nicht stimmen, und baut dann auch
darauf seine ganze Argumentation. Somit wird er, wie Luther, erneut einer
sachlichen theologischen Diskussion nicht gerecht.
Aber warum wohl betreibt Ratzinger dieses üble Spiel? Es muss sich ja ein
bestimmtes Interesse dahinter verbergen. Eine Antwort auf diese Frage lässt sich
ebenfalls aus dem Text seines Aufsatzes herauslesen. Zunächst sagt er, dass der
christliche Kult „nicht mehr im Darbringen eigener Gaben“ bestehen könne. Und
weiter spricht er von einem „eigentlich christlichen Opferbegriff“ bzw. von
einem „theologisch legitimen, im Inneren neutestamentlichen Glaubens sich
vollziehendes Verständnis der Eucharistie als Opfer“. Das bedeutet, dass seiner
Meinung nach die katholische Kirche bis dahin falsche Lehren über das Messopfer
verbreitet hätte („nicht mehr im Darbringen“) bzw. kein „theologisch legitimes,
im Inneren neutestamentlichen Glaubens sich vollziehendes Verständnis der
Eucharistie als Opfer“ besässe!
Und wie zum Beweis fährt Ratzinger fort, indem er ohne Scheu und Scham offen die
katholische Lehre über das heilige Messopfer leugnet: „Es scheidet zwar die
Vorstellung der Messe als eines eigenständigen, in sich beruhenden Opfers
schlechterdings aus, aber um so mehr drängt sich der Gedanke auf, ob sie als
Zuwendung der Christus-Gabe an die Seinigen nicht auch auf irgendeine Weise
Gegenwart dieser Gabe, Gegenwart des Heilstuns Jesu Christi bedeuten müsse.“ Und
von dieser neuen Vorstellung Ratzingers über das liturgische Messgeschehen soll
dann in der Fortführung dieser Ausführung gehandelt werden.
P. Eugen Rissling