Gottes Kraft und menschliche Armseligkeit

  N. hat Folgendes geschrieben:
"Wenn die Kirche nur noch in einer ganz kleinen ausgewählten Gruppe bestehen würde - die verkanntermaßen zwar die einzigen Rechtgläubigen sind, aber alle sie für ausserhalb der Kirche halten - dann können wir auch gerade mal einpacken: Dann ist dieser Glaube nichts Wert. Denn dann ist die Zusage an Petrus nichts Wert. Dann aber kann mir das Ganze auch gestohlen bleiben: Nichts als schöne Worte. Wir wären betrogene Betrüger."

Die Treue Gottes ist unbezweifelbar. Jedoch, überleg mal, ob die Berufung auf die große Menge für den wahren Gott notwendig ist. Setze bei Deinen Worten mal statt "Kirche" "Israel" ein und statt "Petrus" "Messias", und versetze Dich dann in die Situation der Menschen unter dem Kreuz oder die der heiligen drei Könige, die ja ursprünglich auch einen irdischen Messias-König gesucht haben.
Was wäre geworden, wenn auch sie wie Du einfach gesagt hätten:
"Wenn Israel nur noch in einer ganz kleinen ausgewählten Gruppe bestehen würde - die verkanntermaßen zwar die einzigen Rechtgläubigen sind, aber alle sie für ausserhalb Israels halten - dann können wir auch gerade mal einpacken: Dann ist dieser Glaube nichts wert. Denn dann ist die Zusage an einen Messias nichts wert. Dann aber kann mir das Ganze auch gestohlen bleiben: Nichts als schöne Worte. Wir wären betrogene Betrüger"?
So haben ja auch die Hohenpriester und Schriftgelehrten argumentiert. Aber, zeigt sich die Treue Gottes nicht gerade in der scheinbaren Ohnmacht Jesu am Kreuz? Was für eine erbärmliche Erlösung wäre das gewesen, wenn Jesus nur als irdischer Machthaber aufgetreten wäre, der zwar die Zeitgenossen beeindruckt und überwältigt hätte, aber in dieser irdischen Macht und Größe keineswegs mehr die Größe und Liebe Gottes offenbart hätte, die Er uns am Kreuz in vollendeter Weise gezeigt hat, wie es sich kein Mensch hätte erwarten können?
Die Berauschung an der Masse ist ein Phänomen bei Sekten und demagogischen Führern. Der wahre Gott will aber die sittliche Entscheidung des einzelnen, auch gegen eine scheinbare Übermacht.
So darf es einen Christen nicht verwundern, wenn die Liebe zur Wahrheit und zu Gott oft nur von einer "kleinen Herde" weitergetragen wird, wie es Jesus auch nennt.
Das gleiche betonen auch schon die Propheten des Alten Testaments, wenn sie vom "kleinen Rest" sprechen. Ihr Vertrauen auf die Verheißung Gottes ist deswegen aber nicht erschüttert. Im Gegenteil - Gottes Kraft kommt in der (menschlichen) Schwachheit erst recht zur Vollendung, was wir aus der ganzen Geschichte der Offenbarung lernen können und was auch der heilige Paulus immer wieder mit Nachdruck betont.


Thomas Ehrenberger

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