St. Josef - der leibliche Vater Jesu?

(Fest am 19. März)


In einer deutschen Zeitung (Südwest Presse vom 24.12.04) wurde kürzlich unmittelbar vor Weihnachten ein Artikel unter dem Titel „Josef, auch nur ein Mann“ veröffentlicht, in welchem der betreffende Autor auf den hl. Josef einging, der ja auch mit diesem hohen Fest bzw. mit den Ereignissen um die Geburt und die ersten Jahre des Knaben Jesus zu tun hat. Und schon diese ziemlich tendenziös formulierte Überschrift selbst deutet klar die Richtung an, in welche die Leser wohl gelenkt werden sollten.

Nach einer kurzen Einführung wird in diesen Ausführungen auch tatsächlich gefragt: „Ist Josef nun der leibliche Vater Jesu oder nicht? Die Jungfrauengeburt ist unter Theologen wie einfachen Christen umstritten.“ Zwar folgt dann ein Hinweis darauf, dass nach katholischer Lehre „Maria ihren Sohn ohne männlichen Samen empfangen hat“. Allerdings wird sofort hinzugefügt: „Andererseits wird Jesus in der Bibel ´Sohn Davids´ genannt, weil Josef in direkter Linie vom alten König abstammte - ein Hinweis auf leibliche Vaterschaft?“

Behauptungen, Zweifel und Einwände dieser oder ähnlicher Art sind seit einer Reihe von Jahrzehnten auch in der so genannten katholischen Welt populär geworden, auch wenn sie in der Zwischenzeit schon zu abgedroschen klingen. Und in der Regel geht es da um nichts anderes als letztendlich um den Verlust des überlieferten katholischen Glaubens. Welche regionale oder überregionale Zeitung oder ein anderes Publikationsorgan vertritt heute noch Glaubensinhalte, die weitestgehend in Übereinstimmung mit dem katholischen Glaubensdogma stehen würden? Es ist inzwischen geradezu zur Mode geworden, die katholischen Glaubenswahrheiten in Frage zu stellen bzw. sie der Lächerlichkeit preiszugeben und somit gänzlich zu leugnen. Dadurch sollte (auf eine zu plumpe Art und Weise!) wohl nur der Eindruck erweckt werden, als sei man „modern“ und „fortschrittlich“.

Und den Höhepunkt der Absurdität im betreffenden Artikel bildet zunächst die Äußerung des „Kieler Pastoral-Psychologen Martin Weimer“, wonach „sich im Krippenbild Väterängste spiegeln“ sollen. „Jeder Vater habe sich schon einmal gefragt, ob er nun sein Kind gezeugt habe oder nicht.“ Und ferner heißt es in der Südwest Presse: „Gerhard-Marcel Martin, Theologie-Professor in Marburg, sieht in der Krippenszene eine Verarbeitung dieser Urangst. Trotz der Zweifel wende sich Josef dem Kind zu.“

Daran sieht man umso deutlicher, wie weit man sich inzwischen vom Inhalt der Berichte der Evangelien entfernt hat, wie wenig Interesse an einer sachlichen Aufarbeitung grundsätzlicher theologischer Fragen auch und gerade die so genannten Experten an den Tag legen, welche abwegige Wege man statt dessen bereit ist einzuschlagen ...und wie sehr man u.a. auch einem gewaltigen Missverständnis der Person und der Taten des hl. Josef erlegen ist! Denn schon ein kurzer, vom echten wissenschaftlichen Interesse getragener Rekurs auf die biblischen Berichte wie auf den historischen Hintergrund der damaligen Ereignisse lässt uns sowohl die Wahrheit der entsprechenden Aussagen der hl. Schrift als auch die Größe der Person des Nährvaters Jesu erkennen! Wollen wir die genannte Veröffentlichung in der Zeitung zum Anlass nehmen, um das Verhalten des hl. Josef etwas zu beleuchten.

 Zunächst fällt auf, dass die betreffende Zeitung zwar die Frage nach der Vaterschaft des hl. Josef stellt, aber seltsamerweise nicht die entsprechenden Berichte der Evangelien erwähnt, aus denen ja überdeutlich hervorgeht, dass Josef nicht der leibliche Vater Jesu war! Dies allein lässt schon genug an entsprechenden Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Intention des betreffenden Autors (und der Zeitungsredaktion) ziehen.

Denn im Lukasevangelium wird ausdrücklich erwähnt, dass Maria sich nicht erklären konnte, wie sie zum Kind kommen sollte, „da ich keinen Mann erkenne“ (Lk 1,34). Und es folgt die Belehrung des Erzengels Gabriel: „Der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Allerhöchsten dich überschatten. Darum wird auch das Heilige, das aus dir geboren wird, Sohn Gottes genannt werden. ...Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich“ (Lk 1,35.37)! Und im Matthäusevangelium lesen wir: „Mit der Geburt Jesu Christi verhielt es sich so: Als Seine Mutter Maria mit Josef verlobt war, fand es sich, dass sie empfangen hatte vom Heiligen Geist, noch ehe sie zusammenkamen“ (Mt 1,18).

Zwar wird im besagten Zeitungsartikel auf den katholischen Glauben von der Jungfrauengeburt Jesu hingewiesen, aber wegen des unverzeihlichen Verschweigens der biblischen Zitate wird beim Leser indirekt der Eindruck erweckt, als handele es sich bei der Lehre von der Jungfrauengeburt um eine mehr oder weniger willkürliche Erfindung der katholischen Kirche. Viele andere Autoren gehen da kaum besser vor. Mit einem objektiven und wahrheitssuchenden Journalismus hat dies alles natürlich nicht das Geringste zu tun!

Und nun tritt (im Matthäusevangelium) der hl. Josef in Erscheinung: „Josef aber, ihr Mann, war gerecht und wollte sie nicht bloßstellen, und so dachte er, sie still zu entlassen“ (Mt 1,19). Man stelle sich die Situation konkret vor: Josef soll Maria heiraten, stellt aber fest, dass sie bereits schwanger ist, ohne dass er nämlich etwas damit zu tun hat. Nach dem damaligen mosaisch-jüdischen Gesetz hätte sie als eine vermeintliche Ehebrecherin gesteinigt werden müssen (vgl. Joh 8,5), und Josef, ihr gesetzlicher Mann, hätte sie dieses vermeintlichen Ehebruchs anzeigen müssen!

„Josef aber war gerecht“. Er hatte Maria bereits genug gekannt, um zu wissen, dass sie nicht zu einer solchen Sünde des Ehebruchs oder auch „nur“ zur Sünde der Unzucht fähig war! Offensichtlich ist Josef bereits zu diesem Zeitpunkt der geistige Adel der Person Marias bewusst geworden, dass er ihr eine solche furchtbare Sünde nicht zugetraut hatte, dass er es sich einfach nicht vorstellen konnte, Maria könnte ihre edle Seele mit einem solchen sittlichen Kapitalverbrechen beschmutzen. Daraus muss er dann wohl auch die Schlussfolgerung gezogen haben, dass es sich bei der Schwangerschaft Marias um ein göttliches Geheimnis handeln müsse, bei welchem nicht ein anderer Mann, sondern der Himmel im Spiel war!

Deswegen wollte er sie auch „nicht bloßstellen“, indem er ihre Schwangerschaft zur Anzeige gebracht hätte. Ihm muss es - unter formaler Missachtung des mosaischen Gesetzes! - bewusst geworden sein, dass er, sollte er diesen Schritt der Anzeige tun, Maria nur Unrecht antun würde und sie als eine letztendlich völlig Unschuldige darüber hinaus auch noch die ganze Härte des Gesetzes gegen Ehebrecherinnen spüren ließe.

An diesem edlen Verhalten des hl. Josef offenbart sich der enorme Gerechtigkeitssinn, welchen er besessen haben muss. Sowohl erkannte er in seiner persönlichen Aufrichtigkeit und der tiefen Gottesfurcht die Unschuld Marias als auch wollte er unter keinen Umständen, dass Maria, die er nicht nur als eine Unschuldige, sondern darüber hinaus bereits zu diesem Zeitpunkt auch als eine wie auch immer vom Himmel Begnadete angesehen haben muss, gleich einer großen Sünderin bestraft werde. Außerdem offenbart die besagte Entscheidung dieses edlen Mannes, wie viel persönliches Feingefühl er von Beginn an für die zarte Seele Marias besessen hat! „Und so dachte er, sie still zu entlassen.“

„Während er sich mit diesem Gedanken trug, da erschien ihm im Traum ein Engel des Herrn und sagte: ´Josef, Sohn Davids, scheue dich nicht, Maria, deine Gattin, heimzuführen; denn was in ihr erzeugt worden ist, stammt vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben; denn Er wird Sein Volk erlösen von seinen Sünden.´ ...Und Josef stand vom Schlaf auf und tat, wie ihm der Engel des Herrn geboten hatte. Er führte seine Gattin heim, doch ohne sie zu erkennen. Sie gebar dann einen Sohn. Und er gab Ihm den Namen Jesus“ (Mt 1,20-25).

Zwar mag Josef zunächst vielleicht auch etwas ratlos gewesen sein, wie er sich angesichts der Schwangerschaft Marias genau verhalten solle, abgesehen von der Entscheidung, sie auf keinen Fall anzuzeigen. Aber darin zeigt sich ja (wie bei jedem Menschen) nur die Natürlichkeit seiner Person und somit seine Abhängigkeit von der Gnadenführung Gottes. Er war kein Übermensch oder mit außergewöhnlichen Talenten beschenkt.

Aber das Besondere an Josef ist, dass er, sobald ihm der Weg gewiesen wurde, auch ohne zu zögern „tat, wie ihm der Engel des Herrn geboten hatte“! Und das unterscheidet ihn eben von den allermeisten von uns, Menschen. Welche Glaubensstärke, welche Tiefe der Gottesfurcht, der Ehrfurcht vor Gott, die er sich im Laufe seines bisherigen Lebens „erarbeitet“ und in täglichem geistigen Kampf angeeignet hatte! Nur dank einer solchen Aufrichtigkeit und Intensität der Gottesbeziehung konnte er wohl auch zur prompten Befolgung des Willens Gottes bereits sein, ohne eben irgendein Zögern an den Tag zu legen.

Man bedenke dabei auch die Folgen, die sich für sein ganzes weiteres Leben daraus ergaben! Praktisch von heute auf morgen musste er, wie der Text des Evangeliums es ja ausdrücklich sagt, auf die Ausübung der Geschlechtlichkeit und somit unter anderem auch auf eigene Kinder verzichten. Dann musste er die sicherlich schwere Bürde und Verantwortung tragen, der Pflegevater Jesu, des künftigen Erlösers, und der Beschützer der hl. Familie zu sein. Sicherlich sind auch viele der Pläne, die Josef wie wohl jeder Mensch für seine Zukunft geschmiedet hatte, in kürzester Zeitspanne vom Herrgott sozusagen über den Haufen geworfen worden.

Aber Josef „tat“, was ihm vom Himmel her offenbart wurde! Gott war ihm heilig, Sein Wille war ihm zu heilig, als dass er überhaupt daran gedacht hätte, gegen ihn zu protestieren, sich gegen Ihn zu erheben! Auch wenn dies natürlich einen gewaltigen Strich durch seine eigene Rechnung darstellte, wusste er, dass Gott es letztendlich nur gut mit ihm meint. Welch ein Vorbild der Glaubenshaltung vor Gott für uns, Christen!

Aber warum sollte Josef Maria „heimführen“, sie überhaupt heiraten, wenn Gott ja wusste, dass Sein Eingeborener Sohn ohne Dazutun eines Mannes geboren werden sollte? Würde dieser unumstößliche historische Umstand der „Heimführung“ Marias durch Josef nicht dafür sprechen, dass Josef vielleicht doch der leibliche Vater Jesu gewesen sei?

Nun, ohne den äußeren Schein einer regulären Ehe und eines Ehemannes wäre Maria, da sie ja ein Kind erwartete, von ihren Volksgenossen sicherlich des Ehebruchs beschuldigt und zur Strafe dafür zu Tode gesteinigt worden! Ähnliches hatte man ja auch mit der Ehebrecherin vor, die „beim Ehebruch auf frischer Tat ertappt worden“ ist und nur durch Jesus davor gerettet wurde (vgl. Joh 8,3-11).
Ferner wäre Maria als eine alleinstehende Frau in der damaligen Zeit und Gesellschaft völlig schutz-, wehr- und rechtlos dagestanden und somit der Willkür der sittlich rauen Umwelt ausgeliefert. (Das ist z.B. auch der weitere historische Hintergrund des „Mitleids“, welches Jesus jener „Witwe“ gegenüber gezeigt hatte, welcher der einzige Sohn, der Jüngling von Naim, weggestorben ist, und welchen Jesus wieder zum Leben erweckte (vgl. Lk 7,11-17)).

Und wie jene schützende Männerhand für Jesus und Maria vonnöten war, erblicken wir allein schon an der Fürsorge, die Josef seiner angetrauten (und hochschwangeren!) Braut sowohl bei der Reise von Nazareth in Galiläa nach Bethlehem als auch bei der Suche nach der Herberge (vgl. Lk 2,4-7) angedeihen ließ. Und welcher Gefahr war Jesus dann durch den grausamen König Herodes ausgesetzt, der ja nach Ihm suchte, um Ihn als den vermeintlichen politischen Konkurrenten „zu ermorden“! Zwar wird in den Evangelien darüber nicht viel berichtet, aber man kann sich ja leicht vorstellen, welche wichtige schützende und fürsorgliche Rolle Josef gerade bei der notwendig gewordenen Flucht nach Ägypten (vgl. Mt 2,13-15) gespielt hatte! Denn sonst hätte Jesus wohl dasselbe traurige Schicksal ereilt wie jene „Knaben von zwei Jahren und darunter“, welche damals „in Bethlehem und in dessen ganzem Gebiet“ lebten und auf Herodes` Geheiß brutal umgebracht wurden (vgl. Mt 2,16-18)!

Aber warum wird Josef in einer ganzen Reihe von Stellen des Evangeliums als Jesu „Vater“ bezeichnet (so z.B. in Lk 2,33), wenn er nicht Sein leiblicher Vater gewesen ist? Nun, „die gesetzliche Vaterschaft war jüdischem Rechtsdenken bekannt. ´Wenn jemand sagt: Dieser ist mein Sohn, so ist er beglaubigt´ (= tritt er in alle Erbrechte des Sohnes ein, BB 8,6a) - Billerbeck I 35; W. Speyer: RAC IX 1227" (Gnilka, J., Das Matthäusevangelium. I. Teil, Herder 1986, S. 11). Indem also Josef in Analogie zur Adoption Jesus vor dem Gesetz als seinen Sohn annahm, galt er als sein juridischer Vater, als Jesu Vater vor dem Gesetz. Weil aber das Umfeld des Knaben und Jünglings Jesus (noch) nichts von einer Jungfrauengeburt wusste, konnte Er nicht nur „für den Sohn Josefs“ gehalten werden (vgl. Lk 3,23), sondern wurde Josef teilweise auch von Maria als der „Vater“ Jesu bezeichnet (vgl. Lk 2,48).

Aber dies alles widerspricht überhaupt nicht der Tatsache der Jungfrauengeburt Jesu, denn erstens hat Josef Jesus von Anfang an die Fürsorge eines jeden liebenden Vaters zukommen lassen. Und zweitens bezeichnen Adoptivkinder, die seit frühester Kindheit beim Adoptivvater aufgewachsen sind, welcher ihnen die ganze Zeit die volle väterlich-persönliche Wärme zukommen ließ, diesen in der Regel ja auch sonst nicht etwas distanziert „Adoptivvater“, sondern wie selbstverständlich „Vater“, ohne ständig die Unterscheidung zwischen diesen beiden Begriffen zu machen und dies der Umwelt in stundenlangen Diskussionen zu erklären.

Deshalb trägt der hl. Josef zu Recht den Ehrentitel „Vater“, zumal er Jesus als einen kleinen Knaben sogar vor mancher Lebensgefahr beschützte, Ihn seine ganze und ungeteilte (irdisch-)väterliche Liebe spüren ließ, und Ihm in vieler anderer Hinsicht wie ein leiblicher Vater war. Auch hat sich der hl. Josef wie ein edler Ritter der hl. Jungfrau Maria gegenüber verhalten. Insgesamt betrachtet zeichnet er sich vor allem durch seine außergewöhnliche Glaubensstärke und Gottesfurcht aus. Deshalb verehrt ihn auch die katholische Kirche als einen der größten Heiligen, dem die einmalige Gnade zuteil wurde, Bräutigam der allerseligsten Jungfrau Maria, Nährvater des göttlichen Erlösers Jesus Christus und Beschützer der hl. Familie zu sein!

Heiliger Josef, bitte für uns alle und beschütze die wahre katholische Kirche, die sich heute (ebenfalls) in einem existenziellen Kampf gegen die Mächte der Finsternis befindet!


P. Eugen Rissling


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