Ruhe in Gott über allen anderen Dingen und Gaben
Niemand ist besser als Du, mein Herr und Gott, niemand erhabener, mächtiger, genügender und inhaltsreicher, niemand milder und tröstlicher, schöner und liebwerter, edler und über alles herrlicher, in dem alles Gute zugleich und vollkommen ist, war und immer sein wird. Deshalb verblasst und tritt zurück alles, was Du mir außer Dir gibst, offenbarst oder versprichst, wenn ich Dich nicht schaue und voll erfasse. Mein Herz gelangt zu keiner wahren Ruhe und zu keiner restlosen Befriedigung, solange es nicht in Dir ruht und über alle Gaben und Geschäfte hinauskommt. O mein geliebter Bräutigam Jesus Christus, Du liebst ganz lauter, und leitest alle Geschöpfe. „Wer gibt mir Flügel“ wahrer Freiheit, „um zu fliegen“ und in Dir zu rasten? Wann werde ich recht ruhen und einsehen können, wie süß Du bist, mein Gott? Wann werde ich mich vollständig in Dir verlieren dürfen, so dass ich, liebeerfüllt Dir gegenüber, nicht mehr mich fühle, sondern jenseits aller Sinne und Weisen nur noch Dich auf ungewöhnliche Weise? Gegenwärtig seufze ich oft und leide unter meinem Elend. Denn viel Übles begegnet einem in diesem Jammertal: Übles, das mich häufig beunruhigt, betrübt und umnebelt, hindert und zerstreut, verlockt und verwickelt, und mir den freien Zutritt zu Dir verwehrt, und den beglückenden Genuss Deiner Umarmung vorenthält, der den seligen Geistern unaufhörlich zuteil wird. Lass Dich erweichen durch mein Seufzen und die vielfache Trostlosigkeit dieser Welt. O Jesus, Glanz der ewigen Glorie, Trost unserer
seelischen Pilgerschaft, an Dich wendet sich wortlos mein Mund, und mein
Schweigen redet zu Dir. Wie lange verzögert mein Herr Sein Kommen? Er möge
mich Armseligen doch aufsuchen und frohmachen, Seine Hand ausstrecken, und
mich Elenden aller Not entreißen. Komm, komm, denn ohne Dich gibt es weder
frohe Tage noch frohe Stunden. Meine Freude bist Du; leer steht meine Tafel
ohne Dich. Elend bin ich und wie eingekerkert und gefesselt, solange Du mich
nicht erquickst mit dem Licht Deiner Gegenwart, mir die Freiheit nicht
schenkst und mich freundlich anblickst. |