Vom heiligen Augustinus
 

(354 - 430, Fest: 28. August) stammt das bekannte Wort: "Unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in Dir, o mein Gott!" Er war ein großer Gottsucher, der auf mancherlei Irrwegen schließlich, nicht zuletzt auch durch die Gebete und Opfer seiner heiligen Mutter Monika, den Weg zur katholischen Kirche fand und einer der größten Bischöfe der ganzen Kirchengeschichte wurde, ja als der größte der lateinischen Kirchenväter bekannt ist. Die Philosophie des Neuplatonismus hat sein Denken angeregt, das wahre Ziel und die Vollendung aller Erkenntnis fand er aber erst in Christus Jesus. Im Umfeld einer heidnischen Philosophie "hat er den Neuplatonismus verchristlicht und zu einem brauchbaren theologischen Werkzeug für die nachfolgenden Jahrhunderte gemacht" (Lexikon für Theologie und Kirche, Freiburg 1957, S.1095). Das war möglich, weil er einerseits die positiven philosophischen Ansätze seiner Zeit anerkannte, sich aber trotzdem von den Mängeln des Heidentums freimachte und sein Herz dem Licht Gottes, der wahren Weisheit, öffnete.

Sein Fest am 28. August ist ein Anlaß, uns mit einem kurzen Abschnitt aus seinen Bekenntnissen, in denen er seinen Werdegang im Lobe Gottes darstellt, dieses großen Kirchenvaters zu erinnern. Augustinus kann als Fürsprecher und Vorbild für alle diejenigen Menschen gelten, welche Gott und die Wahrheit mit glühendem Herzen suchen.

Die folgenden Zeilen sind entnommen aus: Augustinus, Bekenntnisse, Frankfurt a. M. 1987, Siebentes Buch, S.329ff. Die Zwischenüberschriften zum Zweck einer besseren Übersicht wurden eingefügt.
Demut - der Ausgangspunkt aller wahren Erkenntnis

Und dessen zum Beginn wolltest Du mir zeigen, wie sehr Du "den Hochmütigen widerstehst, den Demütigen aber Gnade gibst" und aus welcher Tiefe Deiner Erbarmung den Menschen der Weg der Demut gewiesen ward, da Dein "Wort Fleisch geworden ist und gewohnt hat unter den Menschen". Dank Deiner Fügung erhielt ich durch einen von maßlosem Stolze geblähten Menschen einige Schriften der Platoniker, die aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt waren. Hier las ich, wenn auch nicht gerade wörtlich, so doch dem Sinne nach dasselbe, und durch viele und vielfache Vernunftgründe glaubhaft gemacht: daß "im Anfang das Wort war und das Wort bei Gott war und daß das Wort Gott war; daß es im Anfang bei Gott war, daß alles durch dies geworden ist und ohne dies nichts geworden ist; daß alles, was geworden ist, Leben ist in ihm, und das Leben das Licht war für die Menschen und daß das Licht in der Finsternis leuchtet und die Finsternis es nicht erfaßt hat"; und daß die Menschenseele, ob sie schon "Zeugnis gibt vom Licht", doch "nicht selber das Licht ist", sondern daß das Wort, Gott selbst, "das wahre Licht ist, das jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt"; und daß Gott "in dieser Welt war und die Welt durch ihn erschaffen ist und die Welt ihn nicht erkannt hat".

Der Mensch braucht neben dem natürlichen Licht der Vernunft auch die gnadenhafte, übernatürliche Offenbarung Gottes

Das andere aber, daß "er in sein Eigentum kam und die Seinen ihn nicht aufnahmen, er aber allen, die ihn aufnahmen, die Macht gab, Kinder Gottes zu werden durch den Glauben an seinen Namen" (Joh.1,11), das habe ich dort nicht gelesen.

Gleichso las ich dort, daß das Wort, Gott, "nicht aus dem Fleische, nicht aus dem Geblüte, nicht aus Mannes noch Fleischeswillen, sondern aus Gott geboren" (Joh.1,13) ist; aber daß "das Wort Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat" (Joh.1,14), habe ich dort nicht gelesen.

Das wunderbare Geheimnis von Gottes Liebe am Kreuz

Wohl fand ich in jenen Büchern verschiedentlich und mannigfach gesagt, daß der Sohn, weil "in Gleichgestalt mit dem Vater, das Gottgleichsein nicht für einen Raub erachtet hat" (Phil.2,6), da er dieses selbe ja von Natur ist. Aber daß "er sich selbst entäußerte, indem er Knechtsgestalt annahm, den Menschen sich gleich machte und im Verhalten sich befinden ließ wie ein Mensch", daß "er sich erniedrigt hat, gehorsam geworden bis zum Tode, ja bis zum Kreuzestod, weshalb ihn Gott erhöht hat" von den Toten, "und ihm einen Namen verliehen hat, der über alle Namen ist, auf daß sich im Namen Jesu beugen alle Knie im Himmel, auf Erden und in der Unterwelt und jegliche Zunge zur Ehre Gottes des Vaters bekenne: Jesus ist der Herr" (Phil.2,7ff.), davon sagen jene Bücher nichts.

Ja, daß vor allen Zeiten und erhaben über alle Zeiten unwandelbar beharrt Dein eingeborener Sohn, gleich ewig mit Dir, und daß alle Seelen das Glücklichsein "aus seiner Fülle" (Joh.1,16) empfangen und zum Weisesein durch Teilnahme an der sich beharrenden Weisheit erneuert werden, das findet sich dort, daß er aber "zur bestimmten Zeit für Gottlose gestorben ist" (Röm.5,6) und daß Du Deines "einzigen Sohnes nicht geschont, sondern für uns alle ihn dahingegeben hast" (Röm.8,32), das steht dort nicht. Denn "verborgen hast Du dies vor den Weisen und hast es Kleinen offenbart" (Mt.11,25), damit zu ihm kämen "die Mühseligen und Beladenen und er sie erquicke", weil er "milde ist und demütig von Herzen" (Mt.11,28f.) und "die Milden leitet auf den rechten Pfad und die Lenksamen seine Wege weist" (Ps.24,9); er sieht unsere "Armseligkeit und Mühsal", und vergibt uns "all unsre Sünden" (Ps.24,18). Die aber auf dem Kothurn eines, wie sie sagen, höheren Wissens zu groß sind, um ihn zu hören, wie er spricht: "Lernet von mir, denn ich bin milde und demütig von Herzen, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen" (Mt.11,29), die mögen wohl "Gott erkennen, aber sie verherrlichen ihn nicht als Gott noch sagen sie ihm Dank, sie gehen in der Nichtigkeit ihrer eigenen Gedanken auf, und finster wird es in ihrem törigen Herzen; sie sagen, sie seien Weise, und sie machen sich zu Narren" (Röm.1,21f.).

Ohne den wahren Gott nur Götzendienst

Dies erklärt mir, daß ich auch bei Platonikern "die Herrlichkeit Deines unvergänglichen Wesens" vertauscht fand gegen Götzen und allerhand Gestalten "in Ebenbildlichkeit mit dem vergänglichen Menschen, mit Vögeln und Vierfüßlern und kriechendem Getier" (Röm.1,23). Das ist, versteht sich, jene Speise Ägyptens, um welche Esau sein Recht des Erstgeborenen dahingab, da doch Dein erstgebornes Volk statt Deiner den Kopf eines vierfüßigen Tieres verehrte (vgl. Ex.32,1ff.), und, "mit dem Herzen wieder in Ägypten" (Apg.7,39), Dein Ebenbild, seine Seele, beugte vor dem Bild eines "heufressenden Kalbes" (Ps.105,20).

Das Gute behalten, das Gold der Wahrheit mitnehmen

Ja, das fand ich dort, aber ich aß nicht davon. Denn es hat Dir gefallen, Herr, die Schmach der Hintansetzung wegzunehmen von Jakob, so daß "der Ältere dem Jüngeren dienen mußte" (Röm.9,12), und die Heiden waren es, die Du berufen hast in Dein Erbe. Auch ich war zu Dir gekommen aus der Heidenschaft, und ich richtete mein Augenmerk auf das Gold, das nach Deinem Geheiß Dein eigen Volk aus Ägypten mitnehmen sollte, weil das Gold [der Wahrheit] Dein war, mochte es sein wo immer (vgl. Ex.3,22; 11,2). Und Du hast zu den Athenern - und dorther eben stammten jene Bücher - durch Deinen Apostel gesagt, daß wir in Dir "leben und weben und sind, wie es auch einige aus ihrer Mitte ausgesprochen haben" (Apg.17,28). Und so ließ ich unbeachtet die Götzenbilder der Ägypter, denen sie von Deinem Golde opferten, "sie, welche die Wahrheit Gottes mit der Lüge vertauscht und lieber dem Geschöpf als dem Schöpfer Verehrung und Dienst erwiesen haben" (Röm.1,25).

Es gibt Strahlenderes als das natürliche Licht

Von dannen aufgefordert, zu mir selbst zurückzukehren, betrat ich, von Dir geführt, mein Innerstes, und ich vermochte es, weil "Du mein Helfer geworden" (Ps.29,11). Ich trat ein und schaute mit dem Auge meiner Seele, so schwach es war, hoch über diesem selben Auge meiner Seele, hoch über meinem Geist das unwandelbare Licht, nicht dieses allen gemeine, sichtbar allem Fleische, auch nicht ein größeres von derselben Natur, so als wenn es nur heller, viel heller leuchtete und in seiner Gewaltigkeit alljegliches erfaßte. Nein, nicht also war es, sondern etwas anderes, weit anderes als alles sonst. Auch war es nicht in der Weise über meinem Geist, wie Öl auf Wasser oder der Himmel über der Erde, sondern erhaben über mich, weil es mich erschaffen hat, und ich war unter ihm, weil ich von ihm geschaffen bin. Wer die Wahrheit kennt, kennt es, und wer es kennt, der kennt die Ewigkeit. Die Liebe kennt es.

O Wahrheit, du ewige, o Liebe, du allein wahre, o Ewigkeit, allein liebenswert! Du bist es, Du mein Gott, nach Dir ist mein Sehnen "Tag und Nacht" (Ps.1,2). Und sobald ich Deiner inne ward, da nahmst Du mich hin, damit ich sähe, daß etwas sei, was ich sehen sollte, aber ich noch nicht der wäre, der es zu sehen vermöchte. Und Du schlugest, blendhell in mich strahlend, zurück meines Auges Unkraft, und ich erschauerte in Liebe und Erschrecken. Und ich fand mich weit von Dir in der Fremde des entstellten Ebenbildes, und mir war, als hörte ich aus ferner Höhe Deine Stimme: "Ich bin das Brot der Starken: wachse, und du wirst mich essen. Und nicht du wirst mich in dich verwandeln wie die Speise für deinen Leib, sondern du wirst in mich gewandelt werden."

Und ich erkannte, daß "Du ob seiner Missetat den Menschen in Deine Zucht genommen" und meine "Seele wie eine Spinne hast vertrocknen lassen" (Ps.38,12). Und ich fragte mich: "Ist denn die Wahrheit Nichts, weil sie nicht Ort bei Ort sich durch Räume breitet, nicht durch begrenzte, nicht durch unbegrenzte?" Und Du riefest aus der Ferne: "Nein! Ich bin es, der Ich bin" (Ex.3,14). Und ich hörte es, so wie man mit dem Herzen hört, und fürder war nicht mehr, daß ich noch hätte zweifeln können, und eher hätte ich gezweifelt, daß ich lebe, als daran, daß Wahrheit ist, die "am Geschaffenen durch seine Erkenntnis sich erschauen läßt" (Röm.1,20).

Gott allein ist das höchste Gut

Und ich betrachtete all die Dinge unter Dir, und ich erfand sie weder ganz im Sein noch ganz im Nichtsein: daß sie zwar seien, weil sie von Dir her sind, aber auch nicht seien, weil sie nicht sind, was Du bist; denn voll wirklich seiend ist, was unwandelbar besteht. "Für mich aber ist das Gut, Gott anzuhangen" (Ps.72,28); denn nur wenn ich in ihm beharre, verharre ich auch in mir. Er aber "bleibt in sich derselbe und macht doch alles sich erneuen" (Weish.7,27); und "mein Herr bist Du, denn meiner Güter bedarfst Du nicht" (Ps.15,2).

Und auch dieses ward mir klar, daß sie gut sind, die Dinge, die dem Verderb unterliegen. Wohl, sie könnten, wenn sie höchstes Gut wären, nicht verderben, aber sie könnten Verderb auch nicht erleiden, wenn sie gar nichts von Gut wären: denn wenn sie höchstes Gut wären, so gäbe es bei ihnen nicht Verderb, und wenn sie gar nichts von Gut wären, so wäre nichts, was in ihnen dem Verderb unterliegen könnte. Denn Verderb richtet Schaden an, und minderte er nicht an Gut, so machte er nicht Schaden. Entweder also tut Verderb keinen Schaden, was doch unmöglich ist, oder, was schlechthin gewiß ist, alles, was Verderb erleidet, wird an Gut beraubt. Entfiele aber jeglich Gut bei einem Ding, so würde es überhaupt nicht mehr sein. Denn bestünde es weiterhin, ohne daß es noch Verderb erleiden könnte, so wäre es nun besser, weil es unvergänglich dauern würde. Aber gäbe es größeren Widersinn, als von ihm auszusagen, nun, da es jeglich Gut verloren hat, sei es besser geworden? Also, wenn es jeglich Gut verliert, ist es überhaupt nicht mehr: solang es also ist, ist es gut. Also ist alles, was da seiend ist, gut, und jenes Böse, dessen Ursprung ich suchte, ist nicht Wesenheit; denn wäre es Wesenheit, so wäre es gut. Es wäre entweder eine dem Verderb überhobene Wesenheit, dann allerdings ein hohes Gut, oder eine dem Verderb zugängliche Wesenheit, die ohne Gut in ihr nicht Verderb erleiden könnte.

So erkannte ich, ich sah's mir offenbar, daß Du jegliches als ein Gut erschaffen hast, und daß es schlechterdings keine Wesenheiten gibt, die nicht Du erschaffen hättest. Und da Du nicht alle Dinge gleichgestalt erschaffen hast, deswegen sind sie alle: denn jedes für sich ist gut, und alle in ihrer Allheit sind sie "sehr gut", denn unser Gott hat "alles zusammen sehr gut" (Gen.1,31; Sir.39,21) gemacht.

 

 

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